08.12.2010 XING

Social Media HR: Karriereseiten auf dem Weg ins Social Media-Zeitalter

Auf den ersten Blick sind Karriereseiten auf Facebook irrelevant. Zwar haben viele Fanpages auf Facebook eine enorme Reichweite. Die weltweit meisten Fans haben die Facebook-Fanpage und die Fanpage von Texas Hold’em Poker (eine Seite, auf der sich Pokerfans zum Spiel treffen) mit jeweils fast 30 Millionen Fans. 30 Millionen! Der Brand mit den meisten Fans […]

Ina Ferber
9 Min. Lesezeit
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Auf den ersten Blick sind Karriereseiten auf Facebook irrelevant. Zwar haben viele Fanpages auf Facebook eine enorme Reichweite. Die weltweit meisten Fans haben die Facebook-Fanpage und die Fanpage von Texas Hold’em Poker (eine Seite, auf der sich Pokerfans zum Spiel treffen) mit jeweils fast 30 Millionen Fans. 30 Millionen! Der Brand mit den meisten Fans weltweit ist aktuell Coca Cola mit über 17 Millionen Fans. Bei den deutschsprachigen Seiten liegt Mesut Özil weit vorne, und die stärkste Marke ist MTV Germany mit annähernd 300.000 Fans. Wie viele Fans haben dagegen deutschsprachige Karriereseiten? BMW führt mit ca. 12.500 Fans. Danach kommt Lufthansa mit ca. 8.400 Fans. Alle anderen etablierten Seiten weisen zwischen 1.500 und 4.500 Fans auf. Vergleichsweise wenig, also eben irrelevant – oder doch nicht?

Diese Diskussion wird zur Zeit intensiv geführt, meist unter Überschriften wie „Social Media Recruiting – Hype oder Realität?“ Und sie erinnert mich an Debatten, wie wir sie vor 10 oder 15 Jahren geführt haben. Als es darum ging, Unternehmen davon zu überzeugen, dass sie nicht nur eine Homepage, sondern auch eine Karrierepräsenz im Internet benötigen. Als E-Mail-Bewerbungen noch von Kandidaten und Recruitern als minderwertig betrachtet wurden. Als selbst Internet-Start-Ups Stellenanzeigen nie ausschliesslich in Online-Stellenbörsen geschaltet haben. Und als die FAZ mit ihrem umfangreichen Stellenmarkt am Samstag kaum in den Briefkasten passte.

Seit damals haben sich zwei Trends entwickelt, die jetzt mit dem Aufstieg der sozialen Netzwerke beschleunigt werden: Unternehmen werden  transparenter, und Recruiting und Bewerben sind Vorgänge, die informeller werden. Social Media bringt jedoch einen weiteren, radikalen Wandel, der für SMM-Experten eine Überraschung ist: Personalmarketingkampagnen werden viral. Und heute wie damals profitieren Mediaprofis, Recruiter und Bewerber von diesen Veränderungen.

Transparente Feedbackkultur – Raum für Persönlichkeit

Seit es Karriere-Homepages gibt, können sich Kandidaten mit ein paar Mausklicks Informationen über Karrieremöglichkeiten verschaffen. Alle offenen Stellen eines Unternehmens erhalten Sie meist im Überblick. Je professioneller das Online-Personalmarketing eines Unternehmens ausgerichtet ist, umso mehr erfahren Kandidaten über die individuellen Stärken des Arbeitgebers, über das Geschäftsmodell und die Organisationsstruktur, über Weiterbildungsmöglichkeiten, Betriebskindergärten und Teilzeitmodelle, über Aufstiegsmöglichkeiten und internationale Karrieren, über Arbeitszeitkonten und Reisetätigkeit – das Informationsangebot ist eindeutig gestiegen.

Social Media erhöht zusätzlich die Transparenz. Mitarbeiter werden Botschafter des Unternehmens, geben für jeden sichtbar aktiv und passiv Auskunft über den Arbeitgeber. Statusmeldungen auf XING, LinkedIn oder Facebook können eine positive Wirkung für das Arbeitgeberimage entfalten, z.B. „…freut sich auf eine spannende und voraussichtlich erfolgreiche Woche!“, oder eben auch eine negative, z.B. „Schon wieder Montag!“. Mitarbeiter und Ehemalige gründen virtuelle Gruppen und tauschen sich öffentlich über Traineeprogramme oder über die Geschäftsentwicklung aus. Auf Facebook-Karriereseiten freuen sich Kollegen über gelungene Events. Oder treffen durch ihre Abwesenheit eine Aussage.

Employer Branding / HR Social Media

Employer Branding / HR Social Media

Fach- und Führungskräftemangel, Employer Branding und Personalmarketing

Employer Branding / Personalmarketing bedeutet, dass Marketinginstrumente eingesetzt werden, um Mitarbeiter zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden. Idealtypisch wird eine Arbeitgebermarke entwickelt, mit Leben gefüllt und schließlich extern kommuniziert.

Aufgrund des Fach- und Führungskräftemangels gewinnt
Employer Branding schon seit einigen Jahren an Bedeutung. Immer mehr Unternehmen haben Probleme, wichtige Positionen zu besetzen. Beispielsweise fehlen in Deutschland aktuell geschätzt 36.000
Ingenieure. Das Problem weitet sich in den letzten Jahren aus. Die Top-1000 Unternehmen in Deutschland gehen laut unserer Studie davon aus über 36 Prozent der Stellen schwer und 4,1 Prozent gar nicht
besetzten zu können.[2] Firmen gehen Umsätze verloren, weil Mitarbeiter fehlen, um die Aufträge abzuwickeln. Daher sind Unternehmen immer häufiger bereit, Personalmarketingbudgets zu erhöhen. In diesem Zusammenhang sind Karriereseiten in Social Media zu sehen. Sie gehören zum Personalmarketingmix moderner Unternehmen und werden – je nach Bewerberzielgruppe – im Employer Branding undPersonalmarketing eingesetzt.

Transparenz nutzt uns allen: Attraktive Arbeitgeber werden mit allen ihren Vorzügen gesehen und gewinnen so die besten Mitarbeiter, die endlich in der Lage sind, fundierte Entscheidungen für oder wider einen Arbeitsplatzwechsel zu treffen. Diese Transparenz ist vielen Unternehmen unheimlich. Insbesondere befürchten sie einen „Shitstorm“, also eine Lawine von nicht nur sachlicher Kritik, z.B. wenn Kündigungen ausgesprochen werden. Doch genau hier liegt der neue Vorteil für Unternehmen und Mitarbeiter: Transparenz optimiert alle Märkte, auch den Wettbewerb zwischen Arbeitgebern. Hochglanzbroschüren reichen nicht mehr, auch keine gestylte Online-Kommunikation. Nur Unternehmen, die Mitarbeiter mit Wertschätzung behandeln, Zusagen einhalten und einen optimistischen Blick in die Zukunft erlauben, Unternehmen, die positive, klare Werte jeden Tag leben, die also wirklich gute Arbeitgeber sind, können auch eine stabile positive Online-Reputation aufbauen.

Und was haben Sie als Mediaprofis davon? Großartige Chancen! Die Chance, Innovation zu treiben, Social-Media-Personalmarketing-Strategien zu entwerfen, zu implementieren, zu schulen … – Also genau das zu tun, was Mediaprofis so tun, wenn neue Technologien und Geschäftsmodellen die Online-Welt revolutionieren.

Wie bei Freunden: die informelle Bewerbung

Können Sie sich noch an die vielen Stunden erinnern, die Sie als Jobsuchender im Copy-Shop verbracht haben, um alle Zeugnisse für die Bewerbungsmappen vorzubereiten? An die Wanderung von Photograph zu Photograph, um ein wirklich hochwertiges Bewerbungsbild zu erhalten? Wie viel Zeit und Geld Sie in jede Bewerbung investiert haben?

Und wenn Sie Recruiter sind, haben Sie die Hängeregister und Aktenschränke noch vor Augen? Oder dass jede Bewerbung „zu unserer Entlastung“ an die Bewerber zurückgeschickt wurde? Inzwischen beläuft sich der Anteil elektronischer Bewerbungsverfahren auf nahezu zwei Drittel.  Auch heute kosten gute Bewerbungen Zeit, keine Frage. Auch heute benötigen Unternehmen ein effizientes – normalerweise elektronisches – Ablagesystem und zuverlässige Recuritingprozesse. Doch vieles hat sich verändert. Recruiter und Bewerber diskutieren ernsthaft darüber, ob Bewerbungen mit drei Rechtschreibfehlern oder doch schon mit ein oder zwei Fehlern aussortiert werden. Meine Studierenden fragen mich, ob bei E-Mail-Bewerbungen Anschreiben überhaupt noch notwendig sind. Arbeitszeugnisse und Bewerbungsbilder sind nicht mehr Standard und werden evtl. im Rahmen von anonymisierten Bewerbungen komplett unnötig. Kurz: E-Mail und Internet haben einen neuen Kommunikationsstil im Wirtschaftsleben geprägt. Wir kommunizieren häufiger, schneller, informeller und das schlägt sich auch im Bewerbungsprozess nieder. Und was passiert in Sozialen Netzwerken?

Ich gebe Ihnen ein reales Facebook-Beispiel:

„Hallo liebes BMW-Karriere Team.
ich habe an die BMW Niederlasung in Chemnitz eine Bewerbung geschickt als KFZ-Mechatronicker und habe eine einladung zum Einstellungstest bekommen wie könnte ich mich da am besten darauf vorbereiten?
Danke schon mal im vor raus mfg Christoph :)“

Was sagen Sie zu dieser Rechtschreibung? Und wie finden Sie „mfg Christoph :)“? Die meisten Recruiter wären schockiert. Zu Recht – wenn wir hier nicht auf Facebook wären! In sozialen Netzwerken müssen wir andere Massstäbe anlegen. Bewerbungsprozesse werden nicht nur informeller. Facebook, Twitter, StudiVZ & Co. sind keine beruflichen Netzwerke. Die Kandidaten und Bewerber sind mit Freizeitaktivitäten befasst, kommentieren die gestrige Party, stellen Bilder vom Schlittschuhlaufen ein, gratulieren zum Geburtstag und, ach ja, da war doch irgendwo das „liebe BMW-Karriere Team“, da kann ich doch schnell ´mal nach meiner Bewerbung fragen. Die virtuelle Generation trennt nicht mehr so strikt zwischen Berufs- und Privatleben. Christoph hat sich nicht im Ton vergriffen. Wenn er auf der Facebook-Seite „BMW Karriere“ mit dem Unternehmen Kontakt aufnimmt, dann ist das so, als würde er die Recruiter auf der Party eines Freundes treffen. Die Stellensuche wird so unbefangen, dass sie zu einer Freizeitaktivität mutiert.

Für Bewerber ist der Vorteil offenkundig. Sie können schreiben, „wie ihnen der Schnabel gewachsen ist“. Die Hürde für einen Erstkontakt sinkt. Interessenten können einfach kurz fragen, ob Studienabschluss oder Deutschkenntnisse Voraussetzung sind. Natürlich, für Recruiter die nicht zur virtuellen Generation gehören, ist die Umstellung nicht leicht. Aber es lohnt sich. Sie haben nicht nur die Gelegenheit, Interessenten und Bewerber in einem informellen Kontext kennen zu lernen. Die vielen formlosen Fragen und Kommentare ermöglichen unkomplizierte Einblicke in die Bedürfnisse und Interessen der Zielgruppe. Und hier entsteht auch ein spannendes Feld für Mediaprofis. Denn meist kommen die Beiträge und Informationen nicht ungefragt. Es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen, relevante Informationen und Gesprächsanlässe zu bieten und den Mix aus Text, Bild, Ton und Video zu liefern, auf den die Zielgruppe anspringt. Instrumente und Methoden aus dem SMM werden endlich auch im Personalmarketing eingesetzt!

Kommt überall an: die virale Personalmarketingkampagne

Virales Marketing, die Verbreitung von Inhalten durch (unbeteiligte) User, muss ich in diesem Forum nicht weiter erläutern. Die Möglichkeiten des viralen Marketings werden im Recruiting noch nicht ausgeschöpft. Doch es gibt schon ein paar schöne Beispiele, zu sehen unter:

Die Vorteile für Bewerber sind naheliegend: Wichtige Karriereinformationen gelangen auf viralen Wegen zu den Bewerbern. Wenn z.B. eine Studentin ein Karrierevideo, eine Stellenanzeige oder die Einladung zu einem Chat mit „Like“ kommentiert, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das auch für alle mit ihr auf Facebook befreundeten Kommilitonen interessant ist. Auch für Arbeitgeber ist es eine tolle Möglichkeit mit viel Potenzial, um mehr Aufmerksamkeit zu erzielen. Auf viralem Wege erhöht sich die Reichweite der Personalmarketingkampagne automatisch („earned media“). Nur damit hier kein Missverständnis entsteht: Auch virale Kampagnen benötigen klassische Marketingbudgets. Denn es darf nicht dem Zufall überlassen werden, ob und wann der virale Effekt einsetzt. Marketingbudgets werden also nicht ersetzt, aber sie werden effizienter, denn nicht jeder Click/View muss bezahlt werden.

Die eigene Zielgruppe hilft bei der Verbreitung. Keine Frage, der Umgang mit Social Media will gelernt sein. Gerade deshalb ist Social Media-Personalmarketing ein hoch spannendes Spielfeld für SMM-Experten.

Fazit

Recruiting in Kombination mit authentischem Personalmarketing „in Echtzeit“ setzt innovative, strategische Konzepte voraus und die Bereitschaft von Unternehmen, sich kontinuierlich mit Fragen, Kommentaren und Beiträgen ihrer Leser auseinanderzusetzen. Immer noch spielen Jobangebote eine große Rolle. Immer noch stehen Fragen und Antworten sowie Fakten über die Organisation im Vordergrund. Immer noch interessieren die Zielgruppen individuelle – persönliche und fachliche – Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten. Ob Ausbildungsprogramme, Unternehmensnachrichten, Messetermine oder Erfahrungsberichte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Die Social Media-Welt gehört denen, die mutig und selbstbewusst sind! Eine neue Form der Selbstvermarktung mit dem Potential, die Ergebnisse herkömmlicher Kampagnen nachhaltig zu steigern – wenn sie gründlich durchdacht ist und sich auf Werte stützt, die weit mehr als über den Moment hinaus gültig sind.

Die Autorin

Ina Ferber leitet seit einem Jahr den Bereich Direct-Selection bei der Monster Deutschland GmbH. Spezialisiert hat sich dieses Beraterteam auf Arbeitgeber-Imagekampagnen im Sinne von Employer Branding und auf Social Media-Beratung. Parallel unterrichtet sie Personal- und Organisationsentwicklung an der Fachhochschule Frankfurt. Zuvor war Ina Ferber 9 Jahre im Human Resources Management in verschiedenen europäischen Ländern tätig. Sie ist Diplom-Psychologin und hat den MBA an der Harvard Business School abgeschlossen.

Quellen

[1] Quellen: http://www.facebook.com/pages/?browse, http://www.facebakers.com/facebook-pages/brands/, http://www.socialnetworkstrategien.de/wp-content/uploads/2010/11/german-brands-on-facebook-Oktober-2010-deutschsprachig.pdf, http://apps.facebook.com/karriere-pages/, abgerufen am 24.11.2010

[2] von Stetten, A., Eckhardt, A., Laumer, S., Weitzel, T., and König, W. (2010): Recruiting Trends 2010 – Eine empirische Untersuchung mit den Top-1.000-Unternehmen aus Deutschland sowie den Top-300-Unternehmen aus den Branchen Automotive, Finanzdienstleistung und IT, Veröffentlicht von: Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universitäten Bamberg und Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit Monster Worldwide Deutschland, Veröffentlichung: Januar 2010

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