28.10.2014 Diverses

Facebook: Facebook wird’s noch lange geben

Na?! Wie oft hat Sie jemand in den letzten Wochen oder Monaten gefragt oder Sie darauf hingewiesen, dass Facebook gerade stirbt, weil vor allem die Jungen scharenweise davon laufen? Vergangene Woche behauptete dann sogar Kevin Robert (immerhin Chef des Werbeagenturriesen Saatchi&Saatchi), dass es Facebook in drei Jahren nicht mehr geben wird, weil es seine Kinder […]

David Obererlacher
4 Min. Lesezeit
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Na?! Wie oft hat Sie jemand in den letzten Wochen oder Monaten gefragt oder Sie darauf hingewiesen, dass Facebook gerade stirbt, weil vor allem die Jungen scharenweise davon laufen?

Vergangene Woche behauptete dann sogar Kevin Robert (immerhin Chef des Werbeagenturriesen Saatchi&Saatchi), dass es Facebook in drei Jahren nicht mehr geben wird, weil es seine Kinder nicht mehr verwenden
Da ich diese Frage in den letzten Monaten gefühlt öfter beantwortet habe als die Frage nach meinem Beziehungsstatus (und ich habe eine große Familie), nutze ich hiermit die Chance, meine Sicht der Dinge darzustellen. Und es ist – übrigens in beiden Fällen – gar nicht kompliziert.

Auf die Frage, ob die Kinder des Millionärs Kevin Roberts die idealen Indikatoren dafür sind, vorauszusagen, dass ein Netzwerk mit ca. 1,317 Mrd Usern sich in drei Jahren in Luft auflösen wird, möchte ich nicht eingehen.

Ich will zuerst zum Kern der Frage kommen: Was machen Menschen eigentlich im Internet? Also: Wie verändert das Internet die Gesellschaft? Am einfachsten erklärt das jemand, der noch viel glaubhafter ist als ich: Dr. Peter Kruse, ein deutscher Psychologe, Unternehmensberater und Honorarprofessor in einer Rede im Deutschen Bundestag in der vierten Sitzung der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” (14.10.2010)

 

 

(Hinweis für die Politik-Interessierten: Der arabische Frühling und der Hashtag #Jan25 folgen drei Monate nach dieser Aussage. Selten hat jemand eine Entwicklung so perfekt vorausgesagt)

Facebook ist Teil der Internet-Revolution und hat im Hinblick auf vieles, das Kruse nennt, eine unheimliche Wirkung erzielt. Ich denke da an: Vernetzungsdichte, Information, Selbstdarstellung, zu Bewegungen zusammenschließen.

Mit einer Überschrift wie dieser vom April 2013 (!) – Soziales Netzwerk: Facebook verliert junge Nutzer in Deutschland und USA – kann ich persönlich also nicht viel anfangen. Vor allem, wenn schon im Teaser unter dem Bild relativiert wird: „Nicht eingeloggt: Gerade unter den Jüngeren melden sich offenbar viele von Facebook ab“ – Na was jetzt? Sagen die Zahlen, sie melden sich ab? Oder melden sich nur „offenbar“ Jugendliche auf Facebook ab?

Richtig ist vielmehr: Facebook – genauer gesagt die Facebook-Chronik/Timeline – als Kommunikationsmedium ist out! Das ist allerdings nicht erst 2014 entstanden, sondern das war bei den Digital Natives schon 2011 und spätestens 2012 so.

Das tägliche bis stündliche “Das mach ich gerade”, “Meine Meinung zur aktuellen Debatte ist…” und “Schau, ich hab ein cooles Bild, das ich mit euch teilen will“ haben wieder abgenommen. Auf unserer Chronik stellen wir uns nämlich dar. Und zu viel (schlechter) Inhalt bringt weniger Viralität und damit auch immer weniger Response. Und genau um die geht es Jugendlichen.

Ein Beispiel:
Vielleicht haben Sie schon mal bemerkt, dass Jugendliche ihre Profilbilder im Zyklus wechseln – also bewusst wieder zu alten Fotos zurückkehren. Das bringt bei jedem Wechsel mehr Likes für dasselbe (alte) Bild. So schaffen es viele Profilbilder auf hunderte „Gefällt mir“-Angaben. Das ist ein Statussymbol.

Bei Facebook ist man sich der Entwicklungen seit Jahren bewusst und hat schon längst gegengesteuert. Im Jahresbericht an die Börsenaufsicht SEC aus dem Dezember 2012 heißt es: “Wir glauben, dass manche unserer Nutzer, vor allem jüngere Nutzer, andere Produkte und Dienste, die unseren ähneln, kennen und als Ersatz für Facebook aktiv nutzen.” Explizit genannt wurde hier Instagram. (aus dem Artikel auf Spiegel)

Was natürlich den Kauf von Instagram durch Facebook erklärt. Instagram hätte mit einem Interface im Browser sowie einem echten Profil und weiteren Features, die man von Social Networks kennt, Facebook tatsächlich gefährlich werden können. Weil sich ein User mit seinen Inhalten auf Instagram hervorragend inszenieren bzw. darstellen kann! (wie natürlich auch auf Facebook)

Die Darstellung ist also der wichtigste Parameter, warum viele (und vor allem die Jüngeren) Facebook verwenden. Die Kommunikation mittels Facebook-Posting bringt mittlerweile einfach nicht mehr die gewünschten Reaktionen. Dann lieber die Freunde, die man mit dem Spruch, der Story, dem Video oder dem Foto erreichen will, direkt anschreiben. Und Sie haben sicherlich richtig erkannt, wohin die Reise geht: Auf WhatsApp, Snapchat – aber auch in den Facebook-Chat und in geheime Facebook-Gruppen.

Womit Kevin Robert von Saatchi&Saatchi recht hat, ist das Argument des Alters des Netzwerks: Es ist für einen Jugendlichen nicht mehr so lustig, sein Leben auf Facebook zu teilen, wenn Mama, Papa, Taufpatin, Oma und eventuell sogar Lehrer mitlesen. Da verlagere ich natürlich die Kommunikation woanders hin und poste nur das, was mich gut dastehen lässt – und das ist oft nur ein Beitrag pro Woche.

Die Frage, ob ich Facebook täglich verwende, würde ich, wenn ich jetzt gerade 15 Jahre alt wäre, wahrscheinlich verneinen – ein Profil hätte ich aber trotzdem. Etwa als Ausgangspunkt und Drehscheibe meiner Social-Media-Aktivitäten. Oder einfach nur wegen des pragmatischsten Grunds aller Zeiten: Ohne Facebook kein Tinder!

Peter Kruse hat außerdem vorausgesagt (und Recht behalten), dass es den Menschen im Internet nicht mehr „nur“ um Information geht und auch nicht „nur“ darum, sich darzustellen, sondern eben auch, sich zu Bewegungen zusammenzuschließen. Versuchen Sie das mal ohne das Social Network Facebook, in dem Sie heutzutage fast jeden finden (auch die Jungen, meiner Meinung nach ohne den Zusatz „noch“)

Das Erwachsenwerden von Facebook hat die Plattform verändert und besonders cool mag sie für Jugendliche wahrscheinlich nicht mehr sein. Das führt aber nicht dazu, dass sie keine Profile mehr haben – sie gehen nur bewusster damit um. Also genau so, wie es ihre Eltern auch wollen.

P.S.:

Wirtschaftlich gesehen ist der Internetkonzern Facebook ohnehin kaum mehr von der Bildfläche zu bekommen – was Martin Weigert in dem Text Jugendliche wechseln von Facebook zu Facebook wunderbar erklärt hat.

 

Image Credits:

Haven Gate by Shutterstock.com

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