17.05.2011 Seiten / Pages

Facebook: Gewinnspiele auf Facebook oder das Spiel mit dem Feuer

Gewinnspiele auf Facebook sind ein begehrtes Thema bei Unternehmen die auf Facebook aktiv werden, aber auch bei den beratenden Agenturen. Die Verlockung mit einem Wettbewerb tausende oder abertausende Fans zu generieren ist gross, perfekte Viralmechanismen und ausgeklügelte Gewinnspielstrategien werden ausgedacht, das Ganze mehrstufig und mit einer möglichst breiten (multi)medialen Begleitung (die öfters wesentlich teurer ist, […]

Thomas Hutter
6 Min. Lesezeit
33 Kommentare

Gewinnspiele auf Facebook sind ein begehrtes Thema bei Unternehmen die auf Facebook aktiv werden, aber auch bei den beratenden Agenturen. Die Verlockung mit einem Wettbewerb tausende oder abertausende Fans zu generieren ist gross, perfekte Viralmechanismen und ausgeklügelte Gewinnspielstrategien werden ausgedacht, das Ganze mehrstufig und mit einer möglichst breiten (multi)medialen Begleitung (die öfters wesentlich teurer ist, als die Gewinnspielapplikation und der Preis zusammen).

Facebookgewinnspiele / RisikoViel zu gewinnen, viel zu verlieren

Überall, wo es viel zu gewinnen gibt, gibt es in der Regel auch etwas zu verlieren. Gewinnspiele auf Facebook sind vielen, teilweise sehr (un)klaren Regeln unterworfen. Viele der konzipierenden Agenturen und noch viel mehr der selber wurstelnden Unternehmen scheren sich einen Deut um die geltenden Richtlinien von Facebook und führen “wilde” Wettbewerbe durch. Meistens ist die Überraschung dabei dann gross, wenn die entsprechende Facebookseite oder -applikation von Facebook gesperrt wird, doof natürlich, wenn parallel begleitende und nicht stoppbare Kampagnen laufen. Noch grösser ist das Gezeter, wenn die ausführende Agentur merkt, dass sie mit Facebook keinen Kontakt aufnehmen kann, bzw. Facebook auf Anfragen nicht oder nur sehr langsam reagiert, die Schuld für das Versagen des Gewinnspiels wird in der Regel auf den Plattformbetreiber, bzw. auf dessen Unverständnis für die vermeintlich geniale eigene Idee geschoben.

Viele unterschiedliche Richtlinien

Zugegeben, Facebook macht es Unternehmen und Agenturen nicht einfach, einen “sauberen” Wettbewerb durchzuführen, einerseits, weil viele verschiedene Richtlinien beachtet werden müssen, andererseits, weil genau diese Richtlinien laufend wieder ändern, im schlimmsten Fall während der Wettbewerbsausführung. Im Zusammenhang mit der Durchführung eines Gewinnspiels oder einer Verlosung auf Facebook gelten folgende Richtlinien und müssen in Einklang  mit dem Wettbewerb gebracht werden:

  • Werberichtlinien
    Die Werberichtlinien regeln sämtliche Berührungspunkte zwischen Werbetreibenden und Facebook.
  • Plattform Nutzungsbedingungen
    Die “Facebook Platform Policies” sind für die Betreiber von Gewinnspielen bindend, da Applikationen zwingend für die Durchführung von Gewinnspielen notwendig sind und gleichzeitig die meisten Stolperfallen enthalten, müssen diese genau durchgelesen werden
  • Markengenehmigungen
    Facebook hat klare Nutzungsrichtlinien für die Marke Facebook welche im “Bereich für Markengenehmigungen“, diese müssen ebenfalls im Zusammenhang mit Gewinnspielen zwingend eingehalten werden.
  • Nutzungsbedingungen
    Am Schluss, aber nicht minder wichtig, sind die eigentlichen Nutzungsbedingungen von Facebook. Jeder Wettbewerb muss so ausgelegt sein, dass ein teilnehmender Benutzer nicht gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook verstösst.

Selbstverständlich setzen die einzelnen Richtlinien ein minimales technisches Verständnis für die Plattform voraus und bieten einige Seiten Lesestoff. Das Einlesen in die entsprechenden Richtlinien und Guidelines dürfte allerdings für seriöse Anbieter von Facebookdienstleistungen sowie Unternehmen, die ernsthaft und nachhaltig Marketing auf/in Facebook betreiben möchten, kein Hindernis darstellen.

Best Practice Beispiele, die keine sind…

Die Schuld am Unwissen vieler Agenturen und Unternehmen kann an unterschiedlichen Stellen gesucht werden: zum einen ist es schlicht und einfach fehlendes Fachwissen, gepaart mit mangelnden Abklärungen und einer unzureichenden Informationsbeschaffung, zum anderen aber auch öfters in Blogs und “Fachzeitschriften” veröffentlichte “Best Practice Beispiele”, welche zwar vom Mechanismus, vom Anstrich und der crossmedialen Einbindung her betrachtet als solche tituliert werden können, allerdings in Bezug auf die Richtlinien eher “Worst-Practice-Beispiele” darstellen. Alle Beispiele müssen immer gut hinterfragt und überprüft werden, auf Grund der häufigen Änderungen an den Richtlinien ist es grundsätzlich möglich, dass ein korrekt durchgeführtes Beispiele aus dem Jahr 2009/2010 heute so nicht mehr durchgeführt werden darf.

Auch prominente Opfer sind möglich

Das von Schweiz Tourismus unter grossem Medienecho gestartete Gewinnspiel  unter dem Titel “Ferien ohne versprach dem Gewinner  eine Woche Ferien in einer Alphütte, garantiert ohne Internetempfang. Facebook hat den Wettbewerb anscheinend wörtlich genommen, den Spiess umgedreht und zum “Wettbewerb ohne Facebook” gemacht, das Gewinnspiel von Schweiz Tourismus wurde abrupt durch Facebook beendet. Welcher Umstand für die Abschaltung der Applikation ausschlaggebend war, ist bis dato unbekannt, über die Gründe kann nur gemutmasst werden. Fakt ist, dass die Applikation unverhältnismässig viele Autorisierungen verlangte und mehrere Handlungen voraussetzte, auch die Untergrabung von Facebook, immerhin geht es darum, das “Übel” Facebook für einige Tage nicht zu nutzen, wäre eine mögliche Option.  Ebenfalls möglich wäre, dass sich einige der Freunde der Applikationsnutzer über die vielen werbenden Pinnwandbeiträge  aufregten und die Applikation als Spam meldeten. Allerdings dürften sich Schweiz Tourismus und die beteiligten Agenturen über die (allenfalls provozierte) Abschaltung eher freuen, das Medienecho dazu war mit Sicherheit mit der Abschaltung  sicherlich grösser als ohne, auch wenn die dazugehörige Kommunikation eher schwach zu bezeichnen ist (siehe dazu auch “was würde ich als Schweiztourismus tun” auf Netwoman’s Blog).

Der Nutzer als Miesepeter

Beachtet man den erst kürzlich veröffentlichten “Best Practice Guide Facebookmarketing” von Facebook, erkennt der aufmerksame Leser mit Sicherheit, dass Facebook im Guide den Benutzer ins Zentrum setzt, von der Wichtigkeit von Social Design wird darin geschrieben. Genau dieses “user centered social design” wird bei vielen Gewinnspielen nicht angewendet, bzw. es wird auf den Benutzer keine oder nur ganz wenig Rücksicht genommen, der Benutzer soll weiterempfehlen, liken, Dinge vollbringen, etc.

Öfters wird dabei vergessen, dass der Facebookbenutzer eine relativ grosse Gewalt inne hat und einem Unternehmen kräftig ans Bein pinkeln kann: der Benutzer kann spammende oder missbräuchlich eingesetzte Applikationen melden, nur gerade zwei Mausklicks sind dafür notwendig. Applikationen mit einer schlechten oder fehlerhaften Funktionalität können mit schlechten Rezensionen bewertet oder als Missbrauch gemeldet werden. Sobald viele Missbrauchs-/Spammeldungen bei Facebook eintreffen, wird die Applikation blockiert. Genau eine solche Blockierung ist erst gerade kürzlich bei einem sehr raffinierten Gewinnspiel bei TuiFly.com vorgekommen, der ausgeklügelte Wettbewerbsmechanismus wurde bei vielen Benutzern mit grosser Wahrscheinlichkeit als Fehler in der Applikation taxiert und entsprechend an Facebook gemeldet, möglicherweise war aber auch der verursachte Traffic zu gross, welcher  bei Facebook Alarmsignale ausgelöst hat, die Applikation wurde entsprechend durch Facebook deaktiviert. Die Ersatzvariante, mit der TuiFly das Gewinnspiel fortsetzte, war wesentlich unattraktiver und beinhaltete keine viralen Verbreitungsmechanismen.

Plan B notwendig

Die genannten Beispiele zeigen, dass die Durchführung eines Gewinnspieles auf Facebook nicht sichergestellt werden kann, bei grösseren Wettbewerben mit vielen Medienschaltungen sollte ein Plan B für den Fall einer Sperrung vorgesehen werden, andernfalls ist der Betrogene schlussendlich der um das Gewinnspiel und die Gewinnmöglichkeit gebrachte Kunde.

Wenn zwei das Gleiche tun…

Unklar ist allerdings, ob Facebook bei allen Wettbewerben mit der gleichen Ellen misst. Beispielsweise wurde von der Reiseplattform Expedia ein Gewinnspiel unter dem Titel “FriendTrips Game” veranstaltet, welches eine Teilnahme nur zuliess, wenn vier weitere Freunde ebenfalls die Einladung annahmen und am Gewinnspiel teilnahmen. Das Expedia-Gewinnspiel wurde in einem Beitrag von insidefacebook.com als “Best Practice”-Beispiel vorgestellt. Gemäss der Facebook Platform Policy dürfen Benutzer nicht für die Nutzung der sozialen Kanäle incentiviert werden, bzw. die Nutzung dieser vorausgesetzt werden, die entsprechende Umsetzung war gemäss Rückfrage bei Facebook ein klarer Verstoss gegen die Richtlinien. Zudem wurden ähnliche Konzepte mit der Voraussetzung Freunde als Wettbewerbsteilnehmer zu “nötigen” bereits in der Vergangenheit durch die Facebook Sales abgelehnt…

Fazit

Gewinnspiele und Verlosungen auf Facebook haben einen gewissen Reiz und bieten Potential zur Fangewinnung, sind aber eine unter Umständen komplizierte Angelegenheit und können je nach Umsetzung und Einhaltung der Richtlinien schnell zum Disaster werden. Fahrlässig gegen die Richtlinien handelnde Dienstleister und Unternehmen gehen ein grosses Risiko ein, welches im schlimmsten Fall zum Totalverlust der Facebookseite führen kann. Viele Dienstleister vergessen leider häufig, dass sie sich auf Facebook den Richtlinien von Facebook “unterwerfen” müssen und nicht einfach wie gewohnt “im Internet” operieren. Trotz dem grossen Gejammer um Facebookgewinnspiele, bzw. den möglichen Problemen bei Zuwiderhandlungen, sollte der Umstand, dass Facebook die Plattform kostenlos für Unternehmen zur Verfügung stellt, nicht komplett vergessen werden. Das eine schnellen Behandlung von Problemen im Zusammenhang mit Gewinnspielen nicht zu den primären Interessen von Facebook gehört, dürfte entsprechend auf der Hand liegen…

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