Für Menschen mit einer schlechten Meinung über Facebook oder andere Tech-Giganten klingt der Aufruf von Mark Zuckerberg wie ein schlechter Witz. Betrachtet man allerdings die Thematik “Regulierung” sowie die “Komplexität von globalen Internetplattformen” mit ein bisschen mehr Distanz, hat der Ruf nach Regulierung klare Gründe und Vorteile.
Facebook ruft laut nach Regulierung. Mehr Regeln sind gefragt, insbesondere rund um die Entfernung von Inhalten, politischen Inhalten, aber auch rund um Datenschutz.
Am Sonntag, den 16. Februar, veröffentlichte die Financial Times einen Beitrag von Mark Zuckerberg:
Jeden Tag müssen Plattformen wie Facebook Kompromisse bei wichtigen sozialen Werten eingehen – zwischen freier Meinungsäußerung und Sicherheit, Privatsphäre und Strafverfolgung sowie zwischen der Schaffung offener Systeme und der Sperrung von Daten.
Es gibt selten eine klar “richtige” Antwort. Oft ist es genauso wichtig, dass Entscheidungen in einer Weise getroffen werden, die die Menschen als legitim empfinden.
Ich glaube nicht, dass private Unternehmen so viele Entscheidungen allein treffen sollten, wenn diese Entscheidungen grundlegende demokratische Werte berühren. Deshalb habe ich im vergangenen Jahr eine Regulierung in vier Bereichen gefordert: Wahlen, schädliche Inhalte, Privatsphäre und Datenportabilität.
Am Montag veröffentlicht Facebook ein zweites Whitepaper, in dem einige Fragen aufgeworfen werden, die eine Regulierung betreffen könnten. Wir haben auch mit Regierungen – unter anderem in Frankreich und Neuseeland – daran gearbeitet, wie eine Regulierung aussehen könnte. Einige Themen kamen immer wieder zur Sprache.
Eines ist die Transparenz. Regierungen sagen uns oft, dass es schwierig ist, eine Regulierung von Inhalten zu entwerfen, weil sie keinen Einblick in die Funktionsweise unserer Systeme haben. Facebook veröffentlicht bereits mehr ausführlichere Berichte über schädliche Inhalte als jeder andere grosse Internetdienst, und wir haben den Regulierungsbehörden gezeigt, wie unsere Systeme funktionieren. Wir sind auch dabei, unsere Inhaltsmoderationssysteme für externe Prüfungen zu öffnen.
Dann gibt es politische Anzeigen. Wir glauben, dass Werbung auf Facebook transparenter ist als im Fernsehen, in der Presse oder bei anderen Online-Diensten. Wir veröffentlichen Einzelheiten über politische und Anzeigen zu problematischen Themen – einschliesslich der Frage, wer dafür bezahlt hat, wie viel ausgegeben wurde und wie viele Personen erreicht wurden – in unserer Anzeigenbibliothek.
Aber wer entscheidet, was in einer Demokratie als politische Werbung gilt? Wenn ein gemeinnütziger Verein während einer Wahl eine Anzeige über Einwanderung schaltet, ist diese dann politisch? Wer sollte das entscheiden – Privatunternehmen oder Regierungen?
Ein weiteres Thema ist die Offenheit. Ich bin froh, dass die EU sich darum bemüht, den Datenaustausch zu erleichtern, denn dadurch können die Menschen Dinge aufbauen, die für die Gesellschaft wertvoll sind. Internationale Agenturen nutzen das Programm “Data for Good” von Facebook um herauszufinden, welche Gemeinden nach Naturkatastrophen Hilfe benötigen, und Regierungen nutzen unsere öffentlich zugänglichen Karten zur Bevölkerungsdichte für Impfkampagnen.
Natürlich sollten Sie Menschen ihre Daten immer zwischen den Diensten übertragen können. Aber wie definieren wir, was als “ihre” Daten zählt? Wenn ich etwas mit ihnen teile, wie zum Beispiel meinen Geburtstag, sollten sie dann in der Lage sein, diese Daten an andere Dienste, wie zum Beispiel Ihre Kalender-App, weiterzuleiten? Sind das meine Daten oder ihre?
Wir müssen ein Gleichgewicht zwischen der Förderung von Innovation und Forschung sowie dem Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit der Menschen finden.
Ohne klare Regeln für die Übertragbarkeit ermutigen strenge Datenschutzgesetze Unternehmen dazu, Daten zu sperren und sich zu weigern, sie mit anderen zu teilen, um regulatorische Risiken zu minimieren.
Und schließlich brauchen wir mehr Aufsicht und Rechenschaftspflicht. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass globale Technologieplattformen jemandem Rechenschaft ablegen müssen, deshalb sollten Unternehmen durch Vorschriften zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie Fehler machen.
Unternehmen wie meines brauchen auch eine bessere Aufsicht, wenn wir Entscheidungen treffen. Deshalb schaffen wir ein unabhängiges Aufsichtsgremium, damit die Menschen gegen die inhaltlichen Entscheidungen von Facebook Einspruch erheben können.
Technologieunternehmen sollten der Gesellschaft dienen. Das gilt auch für die Unternehmensebene, deshalb unterstützen wir die Bemühungen der OECD, faire globale Steuerregeln für das Internet zu schaffen.
Ich glaube, dass eine gute Regulierung dem Geschäft von Facebook in naher Zukunft schaden könnte, aber langfristig wird sie für alle, auch für uns, besser sein.
Dies sind Probleme, die behoben werden müssen und die unsere Branche als Ganzes betreffen. Wenn wir keine Standards schaffen, die die Menschen für legitim halten, werden sie weder Institutionen noch der Technologie vertrauen.
Natürlich werden wir nicht mit jedem Vorschlag einverstanden sein. Eine Regulierung kann unbeabsichtigte Folgen haben, insbesondere für kleine Unternehmen, die nicht in der Lage sind, eine anspruchsvolle Datenanalyse und Vermarktung allein durchzuführen. Millionen von Kleinunternehmen sind darauf angewiesen, dass Unternehmen wie das unsere dies für sie tun.
Wenn die Regulierung es ihnen erschwert, Daten auszutauschen und diese Instrumente zu nutzen, könnte ihnen das unverhältnismäßig schaden und unbeabsichtigt größere Unternehmen begünstigen, die dies können.
Dennoch würden wir von einem demokratischeren Prozess profitieren, anstatt uns darauf zu verlassen, dass einzelne Unternehmen ihre eigenen Standards festlegen. Deshalb drängen wir auf eine neue Gesetzgebung und unterstützen bestehende US-Vorschläge zur Verhinderung von Wahlinterventionen wie den Honest Ads Act und den Deter Act.
Um es klar zu sagen: Es geht hier nicht darum, Verantwortung abzugeben. Facebook wartet nicht auf eine Regulierung; wir machen selbst weiterhin Fortschritte in diesen Fragen.
Aber ich glaube, klarere Regeln wären für alle besser. Das Internet ist eine mächtige Kraft für die soziale und wirtschaftliche Selbstbestimmung. Eine Regulierung, die die Menschen schützt und Innovationen unterstützt, kann dafür sorgen, dass dies auch so bleibt.
Für Menschen mit einer schlechten Meinung über Facebook oder andere Tech-Giganten klingt der Aufruf von Mark Zuckerberg wie ein schlechter Witz. Betrachtet man allerdings die Thematik “Regulierung” sowie die “Komplexität von globalen Internetplattformen” mit ein bisschen mehr Distanz, hat der Ruf nach Regulierung klare Gründe und Vorteile. Warum will Mark Zuckerberg mehr Regulierung?
In einer globalisierten Welt kämpfen Unternehmen wie Facebook mit sehr komplexen Rechtslagen, die je nach Entwicklung und Kultur einer Region unterschiedlicher nicht sein könnten.
Datenschutz
Während in einigen Ländern nur spärliche Datenschutzbestimmungen bestehen, bietet die EU mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder der Staat Kalifornien mit dem California Consumer Privacy Act (CCPA) zwei ausführliche Regularien. Diese fallen trotzdem sehr unterschiedlich aus (interessant dazu: CCPA vs GDPR oder “The California Consumer Privacy Act and the GDPR : two of a kind“). Dies sind nur zwei Beispiele. Facebook hat sich 2019 deutlich für weltweite Richtlinien analog der DSGVO ausgesprochen. Warum? Obwohl die DSGVO als ziemlich hart gilt, bietet sie eine klare Grundlage. Unternehmen wie Facebook, aber auch Google und andere weltweit agierende Anbieter können und müssen den Richtlinien der DSGVO gerecht werden. Die Vereinheitlichung der Regelungen auf globaler Basis erleichtert die Handhabung des Datenschutzes. Entsprechend müsste bei einer weltweiten Regelung nur eine Richtlinie befolgt werden. Unterschiedliche rechtliche Anforderungen verkomplizieren sämtliche Abläufe, aber auch Compliance Prüfungen und schaffen zusätzliche Gefahrenquellen.
Politik
Während in einigen Ländern strenge regulatorische Richtlinien rund um politische Werbung gelten, sind andere Länder eher schwach oder gar nicht reguliert. Auch in diesem Fall ist es für den Plattformbetreiber einfach, wenn eine starke Regulierung global angewendet wird. Einerseits kann damit negativen Pressemeldungen auf Grund von fehlender Regulierung aus dem Weg gegangen werden und andererseits muss nur ein (strenger) Standard eingehalten werden.
Regulierung durch Behörden bedeutet für die Tech-Giganten wie Facebook und Google aber auch Selbstschutz. Werden beispielsweise Inhalte mit kritischen oder hetzerischen politischen Inhalten nicht entfernt, wird von mangelnder Kontrolle und Unterlassung gesprochen (Hasskommentare, Löschpflicht, etc.). Allerdings haben wir auch hier ein zweischneidiges Schwert. Werden kritische politische Inhalte entfernt, spricht man gerne von Zensur (wobei Zensur eigentlich in Bezug auf die Unterdrückung von Inhalten durch totalitäre Staaten üblicherweise genannt wird) und wer zieht nun die Trennlinie zwischen gut und schlecht? Wann ist der Plattformbetreiber verantwortlich, wann nicht? Was ist okay, was nicht? Was fällt unter den Begriff von freier Meinungsäusserung und wo beginnt Hass und Hetze? Und wie sehen die Regelungen in der Schweiz, in Deutschland, in Indonesien und im Irak aus? Bei klaren Regelungen können sich die Tech-Anbieter auf die Regularien beziehen und handeln.
… oder warum Regularien für grosse Tech-Anbieter interessant sind. Grossunternehmen wie Facebook und Google verfügen einerseits über finanzielle Mittel und personelle Ressourcen, um entsprechende Regularien umzusetzen. Kleine Unternehmen mit regionaler, nationaler oder nur teilweise internationaler Ausprägung haben weder die Ressourcen, noch das know how um strenge Regularien umzusetzen und müssen allenfalls ihren Betrieb einstellen. Die grossen Anbieter werden dadurch weiter gestärkt beziehungsweise noch grösser und mächtiger.
Internationale Plattformen wie Facebook bieten extrem viele Möglichkeiten und betreten immer wieder neues, für die Politik und die normal aufgeklärte Gesellschaft unbekanntes Terrain. Die Herausforderungen in einer globalen Gemeinschaft mit unterschiedlichen politischen, kulturellen, religiösen, gesetzlichen und auch intellektuellen Hintergründen sind riesig und die Spannungsfelder gigantisch. Regularien sind nicht oder nur teilweise regional vorhanden, wären aber dringend notwendig.