Knapp zwei Wochen sind seit der F8 vergangen, an welcher Facebook diverse wegweisende Erweiterungen und Neuerungen präsentierte. Chat Bots für den Messenger, Live-Video API und Live Video für alle, Instant Articles für alle Publisher, Facebook Surround 360, Profile Expression Kit, Account Kit, Quote Sharing, etc. etc. Facebook verändert sich, bietet neue Möglichkeiten und Funktionen. Der […]
Knapp zwei Wochen sind seit der F8 vergangen, an welcher Facebook diverse wegweisende Erweiterungen und Neuerungen präsentierte. Chat Bots für den Messenger, Live-Video API und Live Video für alle, Instant Articles für alle Publisher, Facebook Surround 360, Profile Expression Kit, Account Kit, Quote Sharing, etc. etc. Facebook verändert sich, bietet neue Möglichkeiten und Funktionen. Der Smartphone -und Tablet-Anteil wächst weiterhin massiv und dominiert klar die Facebook Nutzung, welche sich entsprechend stark verändert – Menschen sind immer häufiger, dafür für kürzere Zeitspannen aktiv in der blauen Mobile App. Multimedia Inhalte sind dank immer besseren Data-Flatsrates und schnelleren Mobile Internet Geschwindigkeiten äusserst beliebt und werden zunehmend intensiver konsumiert. Reactions erlauben Menschen Gefühlsregungen besser zum Ausdruck zu bringen, für Zustimmung oder Ablehnung sind häufig keine Kommentare mehr notwendig, ein Haha, Love, Sad oder auch Angry bringt zum Ausdruck, was man zu einem Thema X denkt, bzw. fühlt.
Zum Thema organische Reichweite und News Feed Algorithmus habe ich mich in den letzten zwei, drei Jahren einige Male ausgelassen – noch immer ist die angeblich sinkende Reichweite ein Dauerthema in vielen Gruppen und Diskussionen. Entsprechend ist ein erklärtes Ziel vieler Social Media Manager und Redakteure, aber auch von Social Media Beratern, die organische Reichweite zu erhöhen. Das organische Reichweite und viele Interaktionen eine auffallende Korrelation aufweisen, ist kein Geheimnis. Will man also mehr organische Reichweite, wird viel Interaktion benötigt. Klar, diese Weisheit liegt ja entsprechend nahe und dafür braucht es tatsächlich kein Doktortitel in Quantenphysik, Mathematik, Marketing oder Kommunikation. Wie bekommt man aber Interaktion? Ganz einfach, man muss Inhalte publizieren, die bei der Community, bzw. beim heiligen Gral im Facebook Marketing, den Fans, ankommen und Likes und Kommentare erzielen. Das gute und zielführende Inhalte für Unternehmen zu erarbeiten tatsächlich nicht so einfach ist und entsprechend mit Aufwand verbunden ist, dürften viele Community und Social Media Manager erkannt haben. Es ist definitiv kein Geheimnis, dass lustige Inhalte, Bilder von Katzen und Katzenbabys, flache Sprüche und herzzerreissende Zitate, aber auch lieb gemeinte Wünsche für ein schönes Wochenende oder einen guten Wochenstart entsprechend viele Likes erzielen. Und genau hier liegt das Problem. Im Gegensatz zu den guten und zielführenden Inhalte zum Unternehmen oder der Marke zahlen diese “billigen” aber interaktionsstarken Inhalte nicht auf Unternehmens- oder Markenziele ein. Wie auch, haben doch diese Beiträge, ausser dem Absender, keinerlei Bezug zur Marke. Schlimmer noch, diese Beiträge haben für die interessierte Zielgruppe auch absolut keine Relevanz. Dh. ich erhalte im Endeffekt zwar Interaktion und damit verbunden eventuell auch eine erhöhte organische Reichweite, meine Beiträge sind aber für die Zielgruppe irrelevant und zahlen weder auf ein Unternehmens- noch auf ein Markenziel ein. Dh. viele Facebook Aktivitäten von Unternehmen sind aus Sicht der unternehmerischen Zielsetzungen und der Marke absoluter Nonsens und sind rein der erhofften Interaktion geschuldet.
Zwei Beispiele
Warum wählt man die Zielsetzung “Interaktion”? Schuld daran ist eine veraltete Facebook Marketing Doktrin. Die “alte” Doktrin besagte, dass Social Media Marketing, bzw. Facebook Marketing auf Interaktion und Dialog basiert. Diese Doktrin stammte aus einer Zeit, wo Reichweite und Zielerfüllung in vielen Bereichen noch nicht messbar waren. Wo Dialog und Interaktion Sichtbarkeit bedeuteten und auch der einzige Weg waren, zusätzliche Sichtbarkeit zu generieren, quasi aus einer Zeit, wo es nicht möglich war, relevante Zielgruppen gezielt direkt zu erreichen. Wir erinnern uns zurück, in der Zeit von 2008 bis 20012 konnten nur Fans einer Facebook Seite durch das Publizieren auf Seiten erreicht werden. Wollte man Menschen ausserhalb der eigenen Fangemeinde erreichen, waren Interaktionen, dh. gefällt mir Klicks, Kommentare und geteilte Beiträge notwendig, damit Freunde von Fans auf Inhalte von Unternehmen aufmerksam wurden. Entsprechend war eine grosse Fangemeinde und eine gute Interaktion das Mass aller Dinge um viele Menschen zu erreichen. Erst 2012 erlaubte Facebook Werbeanzeigen im News Feed und zuerst auch diese nur an Fans, erst in der zweiten Hälfte des Jahres waren Werbeanzeigen im News Feed an Nicht-Fans möglich. Dh. die alte Doktrin benötigte Interaktionen für Sichtbarkeit ausserhalb der Fangemeinde.
Mittlerweile sind seit der Einführung von Werbeanzeigen an Nicht-Fans drei Jahre vergangen, die “heilige” Interaktion blieb aber bis heute in den Köpfen vieler Seitenbetreiber und Marketer im Kopf eingebrannt. Nach wie vor dreht sich bei vielen Unternehmen, die also in der Denkweise, welche vor mehr als drei Jahren notwendig war, die Zielsetzungen in der Interaktion und im Dialog inne hatte, gefangen. Ich nenne diese Denkweise öfters und gerne mal “gefangen im Social Jail”. Entsprechend rechnen Unternehmen, die noch im “Social Jail” gefangen sind, mit den darunter sichtbaren KPI “Gefällt mir”-Angaben, Kommentare und Shares und nennen diese heute veralteten (und nicht mehr notwendigen) Kennzahlen als Massstab, ohne sinnvolle Zielsetzungen zu berücksichtigen. Massnahmen werden dem Ziel geschuldet, auf Interaktion ausgerichtet, dh. Facebook wird, anstelle des “wie” zum “warum”, also zum Selbstzweck. In einer sinnvollen Strategie für Marketingmassnahmen mit Facebook stellt allerdings Facebook immer nur das “wie” dar und mit Sicherheit nicht das “warum”.
Für alle die, denen Interaktion trotzdem immer noch wichtig ist, die können jetzt aufatmen, denn gute und qualitative Inhalte mit einer hohen Relevanz für die Zielgruppe, tolle Videos, kreative Bilder und Texte, bringen nach wie vor eine gute Interaktion (und damit verbunden auch eine gute Reichweite) mit sich.
In der aktuellen Doktrin, die mittlerweile mehr als drei Jahre alt ist, haben entsprechend Fans eine untergeordnete Wichtigkeit. Zwar senden viele Fans eines Unternehmens oder einer Marke gegen aussen positive Signale aus, sind aber für die Zielerreichung nicht mehr zwingend notwendig. Fans haben allerdings eine gewisse Wichtigkeit, vielleicht weniger alleine wegen dem Community Gedanken, sondern vielmehr auf Grund des Social Context. Dank vielen Fans können mehr Menschen im Social Context erreicht werden, dh. vor einer Werbeanzeige werden entsprechende Verbindungen zu Fans der Marke oder des Unternehmens, die zum eigenen Freundeskreis gehören, eingeblendet, was wiederum der Werbung ein vertrauteres Umfeld bietet und so meistens erfolgreicher ist, als Werbung mit dem reinen Brand-Absender. Ebenso sind Fans wichtig für die Unternehmen und Marken, die ihre Fans möglichst häufig mit Werbung erreichen möchten, Fans erhalten nämlich im News Feed doppelt so viele Einblendungen der Werbung als Nicht-Fans. Ein Fan kann pro Tag mit vier Werbebotschaften im News Feed erreicht werden, bei einem Nicht-Fan sind es im Feed nur gerade deren zwei. Bedenkt man, dass für Awareness Zielsetzungen mehr als 8 Impressionen für eine Steigerung notwendig sind, und je nach Zielsetzungen mehrere Werbeanzeigen parallel aufgegeben werden, sind Möglichkeiten Menschen mehrfach zu erreichen unbedingt notwendig. Jedoch für “normale” Reichweite ist eine grosse Fangemeinde nicht zwingend notwendig. Reichweite kann heute ganz gezielt eingekauft werden und Menschen mit den für die Unternehmens- und Markenziele sinnvolle Beiträgen erreicht werden.
Die “Fangewinnung”, bzw. die “veraltete” KPI Fans ist nicht aus den Köpfen vieler Social Media Manager (und dem dahinterstehenden Management) und Social Media Beratern herauszukriegen. In der Folge werden viele Massnahmen geplant, die darauf abzielen Fans zu gewinnen, obwohl andere Zielsetzungen wesentlich wichtiger wären, bzw. dafür aufgewendetes Marketing-Budget markant sinnvoller und effizienter eingesetzt werden könnte. Richtig abstrus wird es dann, wenn man Diskussionen beiwohnen kann, wo Marketer (und Dienstleister) sich gegenseitig unterbieten, wer billiger Fans generieren kann. Häufig ist dann die Rede von Beträgen pro Fan für wenige Cents. Dies ist häufig auch keine Kunst, insbesondere dann, wenn man die Auktions- und Gebotssysteme von Facebook ein wenig kennt und weiss, nach welchen Kriterien Facebook die Auslieferung der Werbeanzeigen an die “gefällt mir”-affine Zielgruppe ausrichtet. Allerdings ist es auch überhaupt kein Geheimnis mehr, dass sehr kosteneffizient gewonnene Fans in den meisten Fällen nur unter Einsatz von hohen finanziellen Aufwänden anschliessend auch erreicht werden können. Dh. es werden zwar billige Fans generiert, um eine vermeintlich höhere organische Reichweite zu erreichen, in der Realität können aber genau diese Fans nicht organisch erreicht werden, dh. es sind dann regelmässig Budgets notwendig, um diese Menschen zu erreichen.
Genau der alten Doktrin “Interaktion” geschuldet, werden häufig Beiträge mit falscher Zielsetzung publiziert. Dh. es werden beispielsweise Bildbeiträge (Image Posts) abgesetzt, obwohl die primäre Zielsetzung “Klicks auf die Website” wäre, nur weil Bildbeiträge häufig eine bessere Ausbeute an “gefällt mir”-Angaben (und vielmals auch eine bessere organische Reichweite) erhalten.
Das nachfolgende Beispiel sollte eigentlich Menschen auf die Website führen, gewählt wurde ein Bildbeitrag.
Wir wissen mittlerweile, dass 80% der Facebook Nutzung auf Smartphones oder Tablets erfolgt. Was auf einem Smartphone passiert, wenn das entsprechende Bild angeklickt wird, zeigen die nachfolgenden beiden Bilder:
Dh. die eigentliche Zielsetzung “Klicks auf die Website” kann auf Grund der falsch gewählten Beitragsart nicht oder nur schwer erreicht werden. Oder mit anderen Worten – die falsche, veraltetet Doktrin verhindert den unternehmerischen Erfolg, dabei könnte die allenfalls tiefere Reichweite problemlos mit dem Einsatz von Facebook Ads kompensiert werden.
Der nachfolgende Screenshot zeigt, das Potential mit falsch gewählten Beitragsarten verschenkt werden kann sehr eindrücklich.
Mit anderen Worten – auch bei Beiträgen mit der Zielsetzung “organische Distribution”, dh. also bei jedem Beitrag, wird die Betragsart an der Zielsetzung angepasst. Ist das primäre Ziel Traffic auf die Website zu generieren, wird ein Link- oder Carousel-Beitrag verwendet. Ist das erklärte Ziel Interaktion mit dem Seitenbeitrag, kann es ein Text-, Video- oder Bild-Betrag sein, liegt die Zielsetzung bei Video-Views, ist es ein Video-Beitrag. Wer Mühe mit der Auswahl der passenden Beitragsart hat, kann sich an den Werbeformaten bei Facebook orientieren, auch dort wird zuerst die Zielsetzung abgefragt.
Spricht man entsprechende Social Media Manager auf die Problematik an, hört man regelmässig “aber unsere Geschäftsleitung betrachtet nur die “gefällt mir”-Angaben, wir werden daran gemessen”. Entsprechende Aussagen sind nachvollziehbar, zeigen aber gleichzeitig das Unvermögen der im Unternehmen verantwortlichen Personen, interne Ausbildung, bzw. Aufklärung nach oben bis in die Chef-Etage voranzutreiben. Es ist daher nicht verwunderlich, werden häufig Social Media oder Facebook Marketing Massnahmen immer noch belächelt und erhalten in vielen Fällen nicht das adäquate Budget, welches für sinnvolle und effiziente Massnahmen notwendig wäre. Betrachtet man die aktuellen Möglichkeiten von Facebook, die durchaus hoch interessant sind und sehr effizient das Erreichen von Unternehmenszielen ermöglichen und begutachtet man dann gleichzeitig, wie viele Unternehmen auf Grund von veralteten, überholten Strategien massiv Potential verschenken, kotzt das Marketer Herz im Strahl.
Auch wenn ich im Beitrag Interaktion und Dialog als veraltete Doktrin bezeichnet habe, sind Interaktion und Dialog auch heute noch wichtige Bestandteile von Facebook – zur Erfüllung von Zielen in Marketing und Branding stehen allerdings mittlerweile andere Ansätze zur Verfügung.
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