31.12.2013 Diverses

Online-Marketing in China: Weit verbreitete Unwissenheit, gewaltiges Potential

Mit knapp 600 Millionen Usern steht China weltweit an erster Stelle. Damit verfügt die Volksrepublik heute über mehr als doppelt so viele Internetnutzer wie die USA und fast zehn Mal mehr als Deutschland. Viele deutsche Konzerne tun sich weiterhin schwer in China Fuß zu fassen. Das liegt neben allgemeinen Verständigungsschwierigkeiten auch an ihren Problemen im […]

Stephan Mayer
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Mit knapp 600 Millionen Usern steht China weltweit an erster Stelle. Damit verfügt die Volksrepublik heute über mehr als doppelt so viele Internetnutzer wie die USA und fast zehn Mal mehr als Deutschland. Viele deutsche Konzerne tun sich weiterhin schwer in China Fuß zu fassen. Das liegt neben allgemeinen Verständigungsschwierigkeiten auch an ihren Problemen im Umgang mit sozialen Netzwerken.

Wie Chinas Regierung den Zugang zu ausländischen Seiten sperrt

shutterstock_168202079Unternehmen, die ausschließlich auf Facebook, Twitter oder Google+ setzen, finden in China kaum Gehör. Denn die im Westen populären Kanäle sind für die Mehrheit der chinesischen Nutzer unzugänglich. Verantwortlich ist dafür das chinesische Ministerium für Öffentliche Sicherheit, das seit Ende der neunziger Jahre ein umfassendes Programm zur Internetzensur verfolgt. Im Laufe der Zeit wurde das sogenannte „Golden Shield Project“ immer weiter perfektioniert.

Die chinesische Regierung identifiziert Webseiten zum Beispiel anhand ihrer IP-Adresse oder spürt missliebige Inhalte anhand von Keywords (z. B. „Free Tibet“, „Falun Gong“ oder „Dalai Lama“) auf. Das führt dazu, dass einige Websites permanent gesperrt bleiben, andere nur zu gewissen Zeiten blockiert werden. Unter die permanent gesperrten Webseiten fallen vor allem die Internetauftritte von Gruppen, die sich in Konkurrenz zur chinesischen Parteiführung sehen (z. B. Reporter ohne Grenzen, Wikileaks).

Darüber hinaus sind auch bestimmte Google Dienste, wie AdWords, Picasa und Analytics, von Zeit zu Zeit nicht zugänglich. Soziale Netzwerke, wie Facebook, Twitter und Google+, zählen ebenfalls zu den gesperrten Websites. Für die Mehrheit der Bevölkerung kommt die Möglichkeit die Internetsperren mittels eines VPN-Zugangs zu umgehen, u. a. aufgrund der damit verbundenen Kosten, nicht in Frage.

Welche Netzwerke bieten sich an, um mit Chinesen ins Gespräch zu kommen?

Anstelle von Facebook oder Twitter nutzt die Mehrzahl der Chinesen einheimische Social Media Kanäle, wie Sina Weibo oder Weixin: Sina Weibo (Chinesisch: Xīnlàng Wēibó) ist das mit Abstand populärste soziale Netzwerk. Von den mittlerweile über 500 Millionen registrierten Nutzern (Stand: Herbst 2013) loggen sich etwa zehn Prozent einmal am Tag ein, um Status-Meldungen abzurufen, Fotos zu posten oder Nachrichten zu kommentieren. Dabei ist die Zahl der Zeichen, ähnlich wie bei Twitter, auf 140 pro Nachricht begrenzt. Nutzer können zudem Hashtags verwenden und Beiträge mit Freunden teilen.

Weixin, international unter dem Namen WeChat bekannt, ist eines der sozialen Netzwerke, das besonders 2012/13 hohe Wachstumsraten verzeichnen konnte. Besonders bemerkenswert sind die Zuwächse unter den fünfzehn- bis zwanzigjährigen Nutzern ― also der Personengruppe, die gerade zur Hauptzielgruppe der großen Konzerne avanciert. 30.000 Unternehmen verfügten Ende Juli 2013 über einen Corporate Account ― Tendenz steigend. In China ansässige Social Media Strategen, wie Kevin Gentle von der Shanghaier Marketingagentur Labbrand, glauben, dass die meisten ausländischen Unternehmen erst jetzt beginnen, das Potential von Weixin zu erkennen.

Auch soziale Netzwerke werden von den chinesischen Behörden regelmäßig auf kritische Inhalte hin überprüft. Unliebsame Beiträge und Accounts verschwinden in regelmäßigen Abständen von der Bildfläche. Seit Dezember 2011 hat die Regierung die Vorlage eines chinesischen Personalausweises zur Bedingung für die Eröffnung eines Weibo-Accounts erklärt.

Louis Vuitton und Starbucks als Vorreiter für erfolgreiches Online-Marketing

Als der Luxuswarenhersteller Louis Vuitton sich als erstes großes ausländisches Unternehmen im Oktober 2010 dazu entschloss, einen Sina Weibo-Account zu eröffnen, waren Branchenexperten skeptisch. „Marketing am Kunden vorbei“, „Viel Aufhebens um einen Nischenkanal“, so der damals weit verbreitete Tenor. Louis Vuitton entwickelte jedoch von Anfang an ein Gespür für die kulturellen Eigenheiten des chinesischen Markts: Durch die Bereitstellung von hochwertigem Content in Form von Fotos und Videos gelang es dem französischen Unternehmen dem kulturell verankerten Streben nach Statussymbolen (Chinesisch: shài) Rechnung zu tragen und eine hohe Zahl von Followern für die Luxusmarke „LV“ zu begeistern. Zudem trat Louis Vuitton von Anfang an offensiv an Meinungsführer im Social Web heran und belohnte sie für die Verbreitung von Mitteilungen über die firmeneigenen Produkte.

Starbucks zählt ebenfalls zu den internationalen Konzernen, die bereits früh das Potential von Sina Weibo erkannten und User als Multiplikatoren für sich entdeckten. Bereits seit Anfang 2012 wendet sich die amerikanische Kaffeehauskette regelmäßig an ihre chinesischen Follower und befragt diese nach ihren Trinkgewohnheiten. Als der staatliche Fernsehsender CCTV Mitte Oktober 2013 die hohen Kaffeepreise in Pekinger Starbucks-Filialen kritisierte, führte dies zu wütenden Protesten. User bezeichneten die staatliche Kritik als „Bevormundung von Konsumenten“ und „heuchlerisch“ angesichts von „wesentlich dringlicheren gesellschaftlichen Problemen“. Der ursprüngliche Beitrag auf dem Weibo-Profil von CCTV wurde 70.000 Mal geteilt und erhielt innerhalb weniger Tage über 30.000 Kommentare. Starbucks reagierte prompt und ließ über soziale Netzwerke verlauten, dass externe Faktoren wie Transportkosten und Mietpreise für die hohen Preise in der chinesischen Hauptstadt verantwortlich seien.

Sina Weibo Account Starbucks

Sina Weibo Account Starbucks

Auch deutsche Unternehmen gehen mit gutem Beispiel voran

Im Sommer 2013 stieß eine Marketingaktion von BMW auf große Resonanz in der internationalen Presse. Dem deutschen Autohersteller gelang es am 12. Juli 30.000 Weibo-User dazu zu überreden, den „Ctrl Z Day“ zu feiern — ein Feiertag, der in Wirklichkeit gar nicht existiert. Internetnutzer sollten darüber berichten, welche Dinge sie gerne im Leben mit Hilfe der Tastenkombination Ctrl + Z (engl. für Strg + Z) rückgängig machen würden. BMW aktivierte chinesische Meinungsführer, wie Liu Ji Shou, die dafür sorgten, dass sich die Nachricht in Windeseile in sozialen Netzwerken verbreitete. Die Marketingaktion schaffte es bis in die Abendnachrichten des chinesischen Fernsehens und Massenblätter wie die Global Times.

Sina Weibo Account BMW

Sina Weibo Account BMW

 

Einen weiteren Coup landete Mercedes Benz Anfang November mit seiner „Dream Builders Campaign“. Anders als vorangegangene Kampagnen, in denen Filmstars und Top Models zu Wort kamen, richtete das Unternehmen diesmal sein Hauptaugenmerk auf sogenannte „creative professionals“ — erfolgreiche Künstler oder Designer, denen es durch harte Arbeit und kreative Ideen gelingt, sich selbst zu verwirklichen. Allein das Video von Ben Huang wurde innerhalb der ersten zwei Wochen 40.000 Mal aufgerufen. Der Shanghaier DJ erzählt darin, was ihn an elektronischer Musik fasziniert und an der SL-Klasse begeistert. Auch Sina Weibo wurde mit Kommentaren zur „Dream Builders Campaign“ überschwemmt.

Fazit

China liegt, was die Zahl der Nutzer angeht, im internationalen Vergleich im hinteren Mittelfeld. Nur 44% der Gesamtbevölkerung haben Zugang zum Internet — gegenüber 76% in Deutschland (Stand: jew. 2013). Der Anteil der mobilen Internetnutzer übersteigt jedoch mittlerweile die Zahl der Personen, die über einen Desktop-PC verfügen. Dementsprechend sollten Firmen, die ihren Eintritt in den chinesischen Markt planen, besonders darauf achten, dass ihre Marketingkampagnen auf Smartphone-Nutzer abgestimmt sind. Ein weiteres Augenmerk sollten Unternehmen auf die Zensurbehörden richten. Häufig geraten vordergründig unpolitische Begriffe und Beiträge ins Visier der chinesischen Regierung. Besonders vor nationalen Feiertagen wie der „Golden Week“ ist mit einer Zunahme der Internetsperren zu rechnen.

Deutsche Unternehmen sollten sich bei ihrem Eintritt in den chinesischen Markt dessen Eigenheiten bewusst machen und in Kooperation mit Online-Marketing Experten, zum Beispiel aus dem Agenturumfeld, eine tragfähige Strategie im Umgang mit sozialen Netzwerken erarbeiten.

Über den Autor

Stephan Mayer

Stephan Mayer

Stephan Mayer verfügt über mehrjährige Erfahrungen im Medienbereich: Er arbeitet derzeit als Social Media Training Specialist für den Luxemburger Media Monitoring Dienstleister Trendiction. Zwischen Juli 2011 und März 2013 lebte er in Shanghai, wo er unter anderem als Social Media Research Analyst für die australische iSentia Group tätig war. Sein socialmedia-blog liefert “Alles über Online Brand Intelligence”.

 

 

 

Image Credits:

Hong Kong, China – DEC 10: Tourist on Mongkok Street by Shutterstock.com

 

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