Was haben Daniel, Anna und Tarek gemeinsam? Sie zeigen, warum Zielgruppenanalyse mehr braucht als demografische Daten. Buyer Personas wirken nur, wenn sie auf echten Daten basieren. Warum Bauchgefühl nicht reicht und Psychologie der Schlüssel zur Segmentierung ist.
Wem kommt das bekannt vor: “Daniel Weitblick, 45, Leiter einer Marketingabteilung, digital affin, verbringt seine Freizeit in der Natur beim Wandern und hasst oberflächliche Markenbotschaften”. Herr Weitblick ist ein typisches Beispiel einer “Buyer Persona”. Wir erklären, warum die Botschaften, die Herrn Weitblick erreichen sollen, nur so gut sein können, wie die Daten, die ihn erschaffen haben.
Fiktive Personas sind mehr als nette Steckbriefe – sie sind der Kompass für zielgerichtetes Marketing. Im Idealfall stehen sie stellvertretend für ein klares Segment deiner Zielgruppe und helfen dabei, treffsichere Botschaften entlang des Sales-Funnels zu formulieren.
Aber Achtung: Wenn die Daten-Basis nicht stimmt, laufen selbst aufwändig entwickelte Botschaften ins Leere. Das führt bei unseren Marketing-Aktivitäten und -Kampagnen zu Inkonsistenzen und Streuverlusten.
Längst nicht mehr erklärungsbedürftig: Eine Buyer Persona beruht nie auf persönlichen Eindrücken oder subjektivem Bauchgefühl. Also auf grobem Halbwissen, das sich auf keinerlei Daten stützt. Im Idealfall ist es längst selbstverständlich, bei der Erstellung von Personas auf fundierte Methoden wie Umfragen, Interviews oder Online-Recherchen zurückzugreifen.
Klassisches Beispiel einer Person aus dem Banken-Sektor. Quelle: Cintellic
Grundlage einer Buyer Persona ist stets eine fundierte Zielgruppenanalyse als integrativer Bestandteil der Marktanalyse. Diese dient dazu, die Bedürfnisse der Zielgruppen zu ermitteln. Das schliesst im optimalen Fall die Lebensstile, Motive oder das Kaufverhalten der Zielgruppen mit ein, damit sich in Werbeanzeigen Interessen gezielt ein- oder ausschliessen lassen.
Die Zielgruppenanalyse erfolgt durch die Erhebung zentraler demografischer, sozioökonomischer und – im B2B-Bereich – unternehmensbezogener Merkmale wie Alter, Bildung, Beruf, Einkommen, Sprache, Wohnort sowie Branche, Unternehmensgrösse und finanzielle Rahmenbedingungen.
Erheben lassen sich diese Merkmale idealerweise durch eine kombinierte Methodik aus quantitativen Daten – wie Nutzerdaten, Kaufverhalten und standardisierten Umfragen – und qualitativen Insights aus Tiefeninterviews, Kundenfeedback oder Empathie-Maps.
Wer so vorgeht, schafft eine gute und solide Grundlage. Die entscheidenden Fehler passieren jedoch oft erst im nächsten Schritt.
Oft werden die Daten zwar sauber erhoben, doch dann lassen wir bei der Erstellung der Persona unsere persönliche Interpretation auf diese los – was den Wert der gesamten Zielgruppenanalyse leider erheblich schmälert. Der häufigste Fehler ist eine zu starke Überschneidung verschiedener Personas hinsichtlich ihrer relevanten Merkmale. Das bedeutet: Die Buyer Personas unterscheiden sich zwar oberflächlich – doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Profile nicht auf datenbasierter Segmentierung beruhen. Oder anders formuliert: Sie wirken wie zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeiten, teilen jedoch im Kern dieselben relevanten Merkmale.
Beispiel:
„Anna“, 38, Mutter von zwei Kindern, lebt in einer Vorstadt, konsumiert nachhaltig, ist Community-orientiert und lässt sich von Marken inspirieren, die soziale Verantwortung zeigen. Und „Tarek“, 41, Single, lebt in der Stadt, technikaffin, impulsiv, interessiert an Innovationen und probiert gern neue Tools aus.
Beide wirken unterschiedlich – andere Lebensentwürfe, andere Motive, andere Sprache. Doch datenbasiert betrachtet zeigt sich: Beide sind EntscheiderInnen im Bereich HR in mittelgrossen Organisationen, beide suchen digitale Lösungen zur Mitarbeiterbindung, beide priorisieren Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit, beide reagieren auf psychologische Trigger wie Status und Zugehörigkeit. Und schon targeten wir mit unterschiedlichen Botschaften ein und dasselbe Zielgruppensegment – und verursachen Streuverluste.
Gute Personas basieren nicht auf Bauchgefühl, sondern auf echten Unterschieden zwischen relevanten Zielgruppenmerkmalen. Wer wirklich fundiert segmentieren will, nutzt statistische Methoden wie beispielsweise die Clusteranalyse – damit lassen sich klar abgegrenzte, homogene Gruppen sichtbar machen.
Kritisieren bis hierher ist natürlich einfach. Im Praxisfall ist das nämlich einfacher gesagt, als getan. Um abgrenzbare Segmente statistisch sauber zu filtern, braucht es eine ausreichend breite und qualitativ hochwertige Datenbasis. Doch woher nehmen?
Denn Daten zu sammeln ist das eine – wirklich relevante Daten sammeln, das andere.
Ein besonders wirkungsvoller Hebel ist die Verbindung quantitativer Daten mit psychologischen Modellen wie dem limbischen Modell, den Big Five oder den Sinus-Milieus. Solche Modelle helfen dabei, emotionale, motivationale und wertebasierte Dimensionen sichtbar zu machen, die in klassischen Daten oft verborgen bleiben.
Zum Beispiel lassen sich Verhaltensdaten – etwa Klickverhalten, Kaufentscheidungen oder Produktpräferenzen – mit Persönlichkeitsprofilen oder Werteeinstellungen in Beziehung setzen. Durch gezielte Fragen in Umfragen oder die Analyse von Nutzungsverhalten auf Basis psychologischer Hypothesen können emotionsgetriebene Muster erkennbar werden, wie z. B. Verlustangst, Statusbedürfnis, Sicherheitswunsch, Neugier, Dominanzstreben oder Zugehörigkeitsgefühl. Solche Merkmale erweitern unseren Datenschatz und ermöglichen eine deutlich differenziertere Segmentierung.
Das Modell der Schweizer Sinus-Milieus wurde 2002 entwickelt. Zuletzt erfolgte 2024 eine grundlegende Überarbeitung des Modells. Quelle: SINUS-Institut
Übrigens: Ein wichtiger, oft übersehener psychologischer Feinschliff, der die Botschaften an unsere Zielgruppen noch treffsicher macht, ist die Wechselwirkung zwischen Marke und Buyer Persona. So kann z. B. ein Outdoor-Rucksack bei einer naturverbundenen, werteorientierten Persona in Kombination mit einer nachhaltigen Marke tiefe Markenloyalität auslösen – während dasselbe Produkt von einer trendgetriebenen Persona eher spontane, hedonistische Kaufmotive anspricht.
Um dieses Wechselspiel zu verstehen, müssen wir uns Fragen stellen wie: Welche Reaktionen triggern meine Produkte bzw. mein Brand? Entscheidungsparalysen, Vertrauen oder eher Neugier? Auch: Wie viel Mitbewerber habe ich, die mit dem gleichen oder ähnlichen Produkt werben? Wie wird meine Marke oder mein Produkt grundsätzlich auf dem Markt wahrgenommen? Rationale und impulsive Entscheidungstypen reagieren im Zusammenspiel ganz unterschiedlich – und genau das macht den feinen Unterschied in der Wirkung.
Psychologische Personas schaffen echte Relevanz. Sie machen Marketing nicht nur menschlicher und datenbasierter, sondern auch spürbar wirksamer. Wenn wir aufhören, Zielgruppen zu erraten und anfangen, sie wirklich zu verstehen, wird die Kommunikation klarer und die Botschaften treffen besser – und unsere Marke wird erlebbar, statt austauschbar.
Verwendete Quellen:
Lewis, M. (2024). New trends in buyer behavior: What our market research reveals. Velocity, 26(3), 50–54.