Immer wieder sieht man in den Medien, dass Marken, urheberrechtlich geschützte Bilder oder Prominente ohne Erlaubnis im Rahmen von satirischer Werbung oder Protestaktionen ohne Zustimmung der Rechteinhaber verwendet werden. Im aktuellen Fall geht Solidar Suisse (Schweizer Arbeiterhilfswerk SAH) gegen Nestlé vor. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, dass es die „Fair Trade“-Initiative zum Schutz der Bauern und […]
Immer wieder sieht man in den Medien, dass Marken, urheberrechtlich geschützte Bilder oder Prominente ohne Erlaubnis im Rahmen von satirischer Werbung oder Protestaktionen ohne Zustimmung der Rechteinhaber verwendet werden.
Im aktuellen Fall geht Solidar Suisse (Schweizer Arbeiterhilfswerk SAH) gegen Nestlé vor. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, dass es die „Fair Trade“-Initiative zum Schutz der Bauern und Arbeiter nicht unterstützt.
Als Mittel der Kritik werden die „Nespresso“-Werbespots mit George Clooney parodiert. Im Video der Solidar Suisse mit dem Titel „Der geheime Clooney-Spot, den Nespresso verbieten will…“ taucht auch ein von George Clooney kaum zu unterscheidender Doppelgänger auf, der von einem Werbeschild mit dem Nespresso-Markenlogo niedergeschlagen wird. Erst am Ende des Spots wird klar, dass es sich um eine Parodie handelt. Die Kampagne wird zudem von Facebook Ads flankiert, die mit dem Bild des Doppelgängers auf die Kampagne hinweisen. Genaue Beschreibung der Kampagne finden Sie in dem Beitrag „Social Media: Nestlé hat dazugelernt – der geheime Clooney-Spot, den Nespresso angeblich verbieten will …“ in diesem Blog.
An dieser Stelle wird es um die Frage gehen, ob eine solche Kampagne, die fremde Marken verwendet und Prominente ohne Rückfrage instrumentalisiert, rechtlich zulässig ist.
Zunächst ist festzustellen, dass Markenbezeichnungen und -logos durch das Markenrecht geschützt werden. Es ist nicht erlaubt sie innerhalb geschäftlichen Verkehrs zu gebrauchen, wenn eine Verwechslungsgefahr mit dem Markeninhaber oder dessen Produkten zu befürchten ist. Bekannte Marken (ab ca. 50% Bekanntheit in der Zielgruppe) dürfen zudem nicht für Aufmerksamkeitswerbung ausgenutzt oder herabwürdigt werden.
Ferner kann auch ein urheberrechtlicher Schutz vorliegen. Von diesem Schutz können grafisch anspruchsvolle Logos umfasst sein, wie auch kreative Settings, Einstellungen und Charaktere in Videoclips.
Personen sind gegen Abbildungen durch das Recht am eigenen Bild geschützt. Das bedeutet, sie dürfen ohne Einwilligung nicht öffentlich abgebildet werden. Dieses Recht umfasst auch die Abbildung durch Doppelgänger, die der betroffenen Personen zum Verwechseln ähnlich sehen. Ausnahmen sind bei Prominenten zu machen, die sich die Abbildung in der Öffentlichkeit gefallen lassen müssen. Das gilt aber nicht, wenn deren Image, bzw. deren wirtschaftlicher Wert ungefragt ausgebeutet wird. Oder einfach gesagt, wenn sie normalerweise für einen solchen Auftritt Geld nehmen würden.
Im Werbespot und den Anzeigen der Solidar Suisse werden all diese Rechte ohne Einwilligung der Rechteinhaber in Anspruch genommen. Weder hat Nestlé eine Erlaubnis zur Verwendung der Marke „Nespresso“, des Logos sowie der Videoeinstellungen aus dem Werbespot gegeben, noch hat George Clooney „seinem“ Auftritt zugestimmt. Die fehlende Einwilligung kann jedoch durch eine Rechtfertigung auf Grundlage der Meinungsfreiheit ersetzt werden.
Wenn die Urheber- und Markenrechte sowie das Recht am eigenen Bild absolut gelten, würde dies eine freie und demokratische Gesellschaft gefährden. Zeitungen dürften über Prominente nicht mit Fotos unter Namensnennung berichten. Und Organisationen könnten ihre Kritik nicht gegen bestimmte Politiker oder Wirtschaftsgrössen richten.
Daher gibt es in allen Demokratien das Recht auf Meinungsfreiheit (in Englischen „freedom of speech“). Dieses Recht bietet viele Freiheiten, die es erlauben eine Meinung nicht nur zu haben, sondern sie frei und in vielen Formen kund zu tun. Das sind insbesondere die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Kunstfreiheit. Diese Freiheiten sind wiederum selbst nicht grenzenlos. Sonst könnte man seine Meinung mit übelsten Beschimpfungen kundtun oder den Nachbarn im Internet anprangern, weil er während der Mittagsruhe den Rasen mäht.
Daher haben die Gerichte die folgenden Grundsätze aufgestellt, im Rahmen welcher Rechte Dritter auch ohne deren Erlaubnis im Rahmen von Satire und Kritik verwendet werden dürfen. Das Positive dabei ist, dass diese Meinungsfreiheit auch im Rahmen kommerzieller Werbung geltend gemacht werden kann. Das Negative liegt darin, dass klare Grenzen fehlen, viel Fingerspitzengefühl gefragt ist und bei Rechtsverstössen finanziell schwere Folgen drohen.
1. Erkennbarkeit der Satire
Das Wesen der Satire, Karikatur oder Parodie liegt in der Verzerrung, Nachahmung oder Übertreibung der Wirklichkeit zum Zweck der Kritik von Missständen. Das bedeutet wiederum, dass diese Mittel der Kritik als solche erkennbar sein müssen.
Dritte dürfen keineswegs denken, dass eine Kampagne, eine Werbeanzeige oder ein verfremdetes Markenprodukt tatsächlich vom Hersteller kommen oder ein Prominenter persönlich hinter dem unfreiwillig beworbenen Produkt steckt. Dabei reicht es jedoch aus, wenn die Satire erst auf den zweiten Blick oder wie im vorliegenden Fall erst am Ende des Videos erkennbar ist. Denn gerade durch diesen „Aha“-Effekt wird die Aufmerksamkeit erregt.
2. Ereignis oder Umstand vom öffentlichen Interesse
Die Satire muss sich auf ein Ereignis oder einen Umstand vom öffentlichen Interesse beziehen. Ein solches Ereignis ist zum Beispiel eine Umweltkatastrophe, wie im Fall von BP oder Diebstahl des Dienstwagens einer Ministerin. Die Satire darf dagegen nicht lediglich ein Deckmäntelchen sein, um den Wirtschaftswert einer Marke oder einer Person auszubeuten.
Im vorliegenden Fall liegt der Satire der Umstand zugrunde, dass Bauern und Arbeiter durch die Kaffeeproduzenten möglicherweise benachteiligt werden. Diese Diskussion ist vom öffentlichen Interesse, was an vielen Medienartikeln zu dem Thema oder an Initiativen wie „Fair Trade“ erkennbar ist.
3. Die Satire darf nicht neben der Werbung untergehen
Im vorliegenden Fall werden keine kommerziellen Interessen durch die Solidar Suisse verfolgt. Es ist aber möglich, dass eine Satire für kommerzielle Werbezwecke genutzt wird. So könnte die Organisation zum Beispiel T-Shirts verkaufen, um die Kampagne zu finanzieren. In solchem Fall wäre es zum Beispiel nicht erlaubt auf den T-Shirts lediglich das Konterfeit von George Clooney ohne die satirische Kritik abzubilden. Dann würde George Clooney nur für den T-Shirt-Verkauf werben, ohne dass die öffentlich relevante Botschaft Gehör fände.
4. Satire im Wettbewerbsverhältnis vermeiden
Ganz problematisch wird es, wenn die Satire sich gegen einen Wettbewerber richtet, also zum Beispiel der Kaffeehändler Tchibo die hier besprochene Kampagne gestartet hätte. Satire im Konkurrenzverhältnis ist grundsätzlich unzulässig, weil Wettbewerber gesetzlich verpflichtet sind, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Das liegt daran, dass mit jeder Kritik an der Konkurrenz die eigene wirtschaftliche Position gestärkt wird und damit die Gefahr des Missbrauchs der Meinungsfreiheit sehr gross ist.
5. Keine Behauptung falscher Tatsachen
Die Satire darf keineswegs falsche Tatsachen behaupten. Das wäre der Fall, wenn Nestlé tatsächlich am „Fair Trade“-Programm teilnehmen würde. Hier könnte die Betitelung des Videos mit „Der geheime Clooney-Spot, den Nespresso verbieten will…“ problematisch sein. Tatsachen muss immer derjenige nachweisen, der sie aufstellt. Falls Nestlé sich nie negativ zu dem Clip geäussert hat, wird es Solidar Suisse schwer fallen, diese Unterstellung nachzuweisen.
6. Keine Schmähung und Beleidigung
Die Satire darf den Bogen nicht überspannen und muss im Hinblick auf die kritisierten Umstände und Ereignisse angemessen bleiben. Die Grenze liegt dort, wo ein Unternehmen oder Personen herabgewürdigt werden, ohne dass dies durch das zugrunde liegende Ereignis gerechtfertigt ist.
Die zulässige Härte bestimmt sich anhand des öffentlichen Interesses und der Handlungen von Unternehmen und Personen, die mit der Satire kritisiert werden. Ein Politiker, der viel austeilt muss viel mehr einstecken als ein Beamter, der in einem Fernsehinterview ungeschickte Aussagen tätigt. Ein Unternehmen, das massiv gegen Arbeitnehmerrechte verstösst, muss sich mehr gefallen lassen, als ein lokaler Händler, der einen Arbeitnehmer zu Unrecht entlässt.
Wo diese individuellen Grenzen der zulässigen Satire liegen, ist selbst für Juristen schwer zu bestimmen und hängt von den gesellschaftlichen Werten und letztendlich von den entscheidenden Richtern ab. An dieser Stelle muss der gesunden Menschenverstand einsetzt werden und am besten zusätzlich ein versierten Rechtsanwalt um Rat gefragt werden.
Im Fall von Nestlé ist die Kritik, angesichts der Relevanz des Themas, angemessen. Auch dass der „George Clooney“ im Video von dem Markenschild zwischen den Beine getroffen wird, ist keine unangemessene Herabwürdigung der Marke Nescaffee oder George Clooneys. Es handelt sich um ein typisches Slapstick-Element, dass nicht mit einem besonderen Ehrverlust verbunden wird. Anders wäre es zum Beispiel, wenn das Double wie ein Sklaventreiber verkleidet, kolumbianische Kaffeeplantagenarbeiter auspeitschen würde.
7. Keine Rechte unbeteiligter Dritter verletzen
Grundsätzlich müssen nur diejenigen Satire ertragen, die in einer nicht völlig fernen Verbindung zu dem Ereignis oder Umstand stehen, auf das Bezug genommen wird. Dagegen ist es nicht erlaubt das Image oder Rechte unbeteiligter Dritter zu nutzen, um zum Beispiel Aufmerksamkeit zu erregen.
Im vorliegenden Fall steht George Clooney in einer engen Verbindung zu der behaupteten unfairen Behandlung der Bauern und Arbeiter. Immerhin unterstützt er Nestlés Vorgehen, in dem er für das Unternehmen wirbt. Zudem erhält er Geld dafür, weswegen er sich um so mehr die satirische Kritik gefallen lassen muss.
Der Fall wäre anders zu beurteilen, wenn zum Beispiel Brad Pitt in dem Video auftauchen würde. Das wäre nicht erlaubt, weil sein Image ohne einen Bezug zu Nescafé’s Kaffeeproduktion für Aufmerksamkeitserregung ausgenutzt werden würde.
8. Risiko und Folgen bei Verstössen
Werden die obigen Regeln beherzigt, dürfen die Rechteinhaber die Satire, Karikatur oder Parodie nicht verbieten. Dennoch führt diese Form von Kritik oft zu Abwehrreaktionen der Betroffenen. Vor allem, wenn finanzstarke Unternehmen und Personen Ziel der Satire sind, ist mit Abmahnungen, Verbotsanträgen vor Gericht und Schadensersatzforderungen zu rechnen. Da die Grenzen der Satire oft schwer einzuschätzen sind, ist der Ausgang der Gerichtsverfahren genauso unsicher. Vielfach gehen solche Fälle durch mehrere Gerichtsinstanzen, die zum Teil unterschiedliche Ansichten vertreten.
Dieses Risiko steigert sich mit der Schärfe der Satire, der Umfang der Nutzung der Rechte der Betroffenen und dem Zweck der Satire. So ist damit zu rechnen, dass eine Kampagne von Solidar Suisse auf weniger Widerstand trifft, als eine satirische Werbeanzeige, die kommerziellen Zwecken dient. Zumal die erstere mit einem breiten Support der Netzöffentlichkeit rechnen kann und so einen „Shit Storm“ als Abwehrmaßnahme gegen gerichtliches Vorgehen nutzen könnte. Ferner ist zu beobachten, dass Politiker sich gegen die unfreiwillige Werbung nur dann richten, wenn sie nicht mehr von der Wählergunst abhängig sind.
Die Kosten der Verfahren bestimmen sich vor allem nach der Bekanntheit der angegriffenen Unternehmen und Personen. Bei einem Bundespolitiker oder einem bundesweit operierendem Konzern ist mit Abmahnungskosten von 3.000 Euro zu rechnen. Ein Gerichtsverfahren in erster Instanz wird ca. 10.000 Euro kosten, geht es bis vor den Bundesgerichtshof können sich die Gerichtskosten auf 40.000 Euro summieren. Dazu kommen noch Schadensersatzforderungen, die weitere 100.000 Euro betragen können.
Daher sollte solchen Maßnahmen eine rechtsanwaltliche Beratung vorhergehen, im Rahmen welcher auch die Möglichen Kosten ermittelt und gegenüber den erwarteten Vorteilen abgewogen werden können.
Der Artikel ist nach bestem Wissen und Gewissen verfasst, jedoch kann er keine individuelle Rechtsberatung ersetzen. Es wird keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben übernommen. Die ihm zugrunde liegenden Prinzipien sind international gültig, können jedoch von Land zu Land in Details abweichen.
Weitere Informationen zum Thema:
Rechtsanwalt Thomas Schwenke LL.M. (Auckland), Dipl.FinWirt(FH) ist Partner der auf Social Media spezialisierten Berliner Kanzlei SCHWENKE & DRAMBURG (Facebookseite) und Autor des E-Books „Rechtliche Stolperfallen im Facebook Marketing“. Er ist beliebter Redner bei Vorträgen und bietet Seminare zu Facebook, Social Media & Recht an.