Derzeit sorgen Rechtsstreitigkeiten im Ausland zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Frage, wem Social Media-Accounts gehören, für Schlagzeilen. Darf der Arbeitgeber diese unter schweizerischem Recht herausverlangen? In einem Rechtsstreit vor den Gerichten der USA wurde ein ehemaliger Mitarbeiter, Noah Kravitz, von seinem ehemaligen Arbeitgeber, PhonedogMedia, auf USD 340’000 verklagt, weil er nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses insgesamt […]
Derzeit sorgen Rechtsstreitigkeiten im Ausland zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Frage, wem Social Media-Accounts gehören, für Schlagzeilen. Darf der Arbeitgeber diese unter schweizerischem Recht herausverlangen? In einem Rechtsstreit vor den Gerichten der USA wurde ein ehemaliger Mitarbeiter, Noah Kravitz, von seinem ehemaligen Arbeitgeber, PhonedogMedia, auf USD 340’000 verklagt, weil er nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses insgesamt etwa 17’000 Twitter-Follower “mitgenommen” hat. Noah Kravitz war gemäss PhoneDog Media für deren Twitter-Account verantwortlich. Als Noah Kravitz nicht mehr für PhoneDog arbeitete, änderte er den Namen des Twitter-Accounts und führte diesen selber weiter. PhoneDog machte geltend, dass sie beträchtliche Investitionen in die Führung des Accounts getätigt habe und die Follower als ihre Kunden anzusehen seien.
Die derzeitigen schweizerischen Gesetzesbestimmungen wollen nicht richtig zur oben beschriebenen Fragestellung passen, und auch die Rechtsprechung der schweizerischen Gerichte enthält kaum Anhaltspunkte, die weiter helfen. Nach schweizerischem Arbeitsrecht ist der Arbeitgeber am Arbeitsergebnis, das vom Arbeitnehmer hervorgebracht wird, berechtigt. Deswegen ist es zunächst einmal wichtig, die Frage zu beantworten, wozu der vom Arbeitnehmer geführte Social Media-Account dient.
Verpflichtet der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer, einen Social Media-Account zu führen und dort regelmässig Beiträge zu schreiben, so wird dies als Teil des Aufgabenbereichs des jeweiligen Arbeitnehmers zu betrachten sein. Entsprechend ist davon auszugehen, dass in solchen Fällen der Arbeitgeber am Social Media-Account berechtigt ist und diesen vom Arbeitnehmer herausverlangen kann. Dies umso mehr, als gemäss Rechtsprechung der Schweizer Gerichte auch Kundenlisten Arbeitsergebnisse darstellen, die dem Arbeitgeber zustehen.
Kann man die Freunde auf Social Media-Plattformen als Kundenliste und damit als Arbeitsergebnis betrachten? Es bestehen durchaus triftige Gründe, die dafür sprechen. Die Kontakte entstehen nämlich aufgrund der Arbeitstätigkeit und sind sozusagen ein Resultat dieser Tätigkeit. Zwar erhält der Arbeitgeber von einer Vielzahl seiner Kontakte keine direkten Einnahmen, wie dies normalerweise bei Kunden der Fall ist. Die Anzahl der Freunde hat aber einen Einfluss auf die Bekanntheit des Unternehmens und dient als wertvolle Werbung. Insofern besteht ein naher sachlicher Bezug zu den herkömmlichen Kundenlisten, die wie bereits erwähnt unstrittig als dem Arbeitgeber gehörendes Arbeitsresultates zu qualifizieren sind.
Wie verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer einen Social Media-Account betreibt, auf dem er als Privatperson auftritt? Selbst wenn in einem solchen Fall ein gewisser Bezug zum Arbeitgeber besteht, hat dieser grundsätzlich keine rechtliche Möglichkeit, den Account vom Arbeitnehmer heraus zu verlangen. Denn die in diesem Rahmen vom Arbeitnehmer geschaffenen Kontakte werden in der Regel selbst dann nicht als Arbeitsresultat im Sinne des schweizerischen Arbeitsrechts zu verstehen sein, wenn der Arbeitnehmer einen Teil seiner Kontakte auf einer Social Media-Plattform während der Arbeitszeit erlangt hat. In derartigen Fällen kann sich der Arbeitnehmer unter Umständen jedoch schadenersatzpflichtig machen.
Im Alltag ist die Situation nicht immer so klar. Wem gehört zum Beispiel der von einem angestellten Journalist geführte Account, auf dem er regelmässig Posts zu aktuellen Ereignissen verfasst, diesen aber auch privat nutzt? Das Beispiel zeigt, dass es sich nicht immer ohne weiteres erkennen lässt, ob jemand als Arbeitnehmer oder als Privatperson auftritt. Um in solchen Fällen zu bestimmen, wer am Social Media-Account berechtigt ist, können folgende Fragen hilfreich sein: Hatte der Arbeitnehmer bereits einen bestehenden Account oder wurde der Account erst nach Antritt der Stelle errichtet? Wird der Account hauptsächlich zu Geschäftszwecken geführt oder eher privat genutzt? Wie viel Zeit steht dem Arbeitnehmer während der Arbeit zur Verfügung, um den Account zu nutzen? Auf welchen Namen lautet der Account? Ist beispielsweise der Name des Arbeitgebers darin enthalten? Allerdings führt auch die Klärung solcher Fragen nicht immer zu einer eindeutigen Rechtslage.
Die obigen Ausführungen treffen grundsätzlich auch für Facebook zu. Wird ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber also beispielsweise angewiesen, einen Facebook-Account (privates Benutzer-Profil) zu führen, um damit mit Kunden kommunizieren zu können, dürften entsprechende „Freundschaften“ in der Regel dem Arbeitgeber gehören und dieser könnte vom Arbeitnehmer eine entsprechende Herausgabe verlangen.
Um Rechtsstreitigkeiten zu verhindern, ist es empfehlenswert, dass der Arbeitgeber die Frage der Berechtigung am Social Media-Account vertraglich regelt, sofern er daran Rechte beanspruchen möchte. Dies kann beispielsweise in Arbeitsverträgen oder Social Media Richtlinien erfolgen und geschieht am besten bereits bei der Anstellung des jeweiligen Arbeitnehmers. Damit Social Media Richtlinien für die Arbeitnehmer Gültigkeit erlangen, müssen sie diesen zur Kenntnis gebracht werden und ausdrücklich akzeptiert werden, indem sie beispielsweise im Arbeitsvertrag als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses genannt werden.
Die in diesem Artikel bereitgestellten Inhalte dienen ausschliesslich zur Information und stellen keine Rechtsberatung dar. Die im Beitrag gemachten Aussagen beziehen sich auf die Schweizer Rechtsprechung. Jegliche Verantwortung für Richtigkeit und Vollständigkeit des Artikels wird abgelehnt.
Dr. Oliver Staffelbach, Rechstanwalt, LL.M.
Oliver Staffelbach arbeitet seit rund fünf Jahren als Rechtsanwalt bei der Anwaltskanzlei Wenger&Vieli AG in Zürich und ist spezialisiert im Technologie- und Vertragsrecht.Er befasst sich insbesondere mit Lizenzvertragsrecht, Internetrecht sowie Softwarerecht und berät neben Startup-Unternehmen unter anderem auch grosse Industrieunternehmen.
Regelmässig beschäftigt er sich mit Rechtsfragen betreffend Social Media. Er hat eine Dissertation über die Dekompilierung von Computerprogrammen an der Universität Zürich verfasst und sein Nachdiplomstudium an der New York University mit den Schwerpunkten Immaterialgüterrecht und Technologierecht abgeschlossen.
Oliver Staffelbach hält regelmässig Referate und ist Autor zahlreicher Fachpublikationen.
Dr. Oliver Staffelbach trifft man auch auf XING, LinkedIn, Google+ und Twitter.
Christine Tramontano, Rechtsanwältin, MLAW
Christine Tramontano ist seit 2012 bei der Anwaltskanzlei Wenger&Vieli AG in Zürich und ist vorwiegend in den Bereichen Gesellschafts-, Handels- und Vertragsrecht sowie in der Prozessführung tätig. Daneben umfasst ihre Tätigkeit die Gebiete des Arbeitsrechts sowie des Erbrechts und der Nachlassplanung.
Christine Tramontano schloss das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Luzern im Jahr 2009 ab und ist seit 2011 als Rechtsanwältin zugelassen.