Abstimmungen mithilfe von Engagement Baiting auf LinkedIn – ein adäquates Mittel oder eine billige Masche für Reichweitengenerierung? “kommt darauf an”, würde der Anwalt wohl sagen.
LinkedIn wächst und die tägliche Interaktion nimmt gefühlt immer weiter zu. Häufig habe ich in der Vergangenheit LinkedIn mit Facebook verglichen und viele Parallelen festgestellt. Eine Beitragsform, die auf Facebook gerade nach der Einführung der Reactions (like, haha, wow, etc.) sehr häufig angewendet wurde und öfters für viel Interaktion und damit verbunden auch Reichweite gesorgt hat, sind Abstimmungen mittels Reaktionen. Auch in LinkedIn findet man diese Beitragsform häufig und auch auf LinkedIn scheint diese Beitragsform gute Reichweiten und Interaktionswerte zu generieren. Was gibt es besseres, als Dinge zu testen?
Auf Facebook kennt man diese Form von Interaktionsgenerierung schon lange, Abstimmungen mit Hilfe der Interaktion, dh. man gibt eine Frage vor, definiert Antwortmöglichkeiten und verbindet diese Antwortmöglichkeiten mit den Interaktionen. Auf Facebook generieren entsprechende Beiträge öfters relativ viel Interaktion und Interaktion triggert in der Regel den Algorithmus für den Newsfeed, was wiederum eine gute, genauer gesagt gegenüber “normalen” Beiträgen eine vergleichsweise hohe Reichweite bedeutet.
Auch auf LinkedIn sind mir einige dieser Beiträge im Feed aufgefallen, meistens mit hohen Interaktionszahlen, was wiederum auf eine gute Reichweite hinweist. Ich bin ein Fan von Tests und habe mich von bestehenden Beiträgen “inspirieren” lassen und habe die Bilder entsprechend “nachgebaut” (einfach kopieren wäre dann doch zu billig). Und getreu dem Motto “einmal ist kein Mal” habe ich die Tests gleich mit mehreren Beiträgen mit der Annahme, dass interaktionsstarke Beiträge auch eine gute Reichweite generieren, in meinem privaten LinkedIn Profil durchgeführt.
Ein erstes Beispiel zu “Zu welcher Generation gehörst Du?”
Eckdaten LinkedIn
Reichweite auf LinkedIn: 60’860 Ansichten
Interaktionen auf LinkedIn: 1’489 Reaktionen / 178 Kommentare (inkl. meiner Antworten auf Kommentare)
Verhältnis Reaktionen zu Ansichten: 2,45 %
Die gleiche Abstimmung habe ich testweise auch auf der Facebook Seite von Hutter Consult AG ausgespielt:
Eckdaten Facebook
Reichweite bei Facebook: 13’138 Ansichten
Interaktionen auf Facebook: 287 Reaktionen / 16 Kommentare / 9 x geteilt
Verhältnis Reaktionen zu Ansichten: 2,18 %
Ein zweites Beispiel zu “Home-Office vs Büro”
Eckdaten LinkedIn
Reichweite auf LinkedIn: 54’294 Ansichten
Interaktionen auf LinkedIn: 4’726 Reaktionen / 197 Kommentare (inkl. meiner Antworten auf Kommentare)
Verhältnis Reaktionen zu Ansichten: 8,70 %
Selbstverständlich musste ich nicht lange auf Kritik warten, schliesslich sind wir ja auf der seriösen Business-Plattform LinkedIn unterwegs, wo Besserwisser*innen und Belehrer*innen doch recht häufig anzutreffen sind. Ob das an der hohen Anzahl von Boomern und Slackern liegt, lass ich mal offen. Nach wie vor gibt es viele Menschen, vor allem solche die mich noch nicht so lange kennen, die davon ausgehen, dass ich nach mehr als einem Jahrzehnt professionellem Werken in Social Media irgendwelche Handlungen ohne eine Strategie mache… ;-). Entsprechend sind schnell Hinweise nach dem Motto “das ist billiges Engagement-Baiting”, “so was gehört nicht auf LinkedIn”, “so eine Abstimmung verzerrt das Resultat”, und “dafür gibt es die Abstimmungsfunktion”, etc. eingetroffen. Selbstverständlich habe ich entsprechend gut gemeinte Hinweise jeweils mit einem Antwortkommentar “freundlich” verdankt – schlussendlich mag LinkedIn auch Interaktionen in Form von Kommentaren.
Zur Kritik komme ich dann aber später im Beitrag nochmals.
Nun ja, selbstverständlich nehme ich Kritik gerne entgegen und mache mir auch entsprechende Überlegungen zur angebrachten Kritik. Daraus resultierend habe ich die gleiche Frage “Home-Office vs Büro” als Umfrage veröffentlicht. Die Abstimmungsfunktion “Umfrage” von LinkedIn erlaubt eine Frage mit maximal 4 Antworten, die Dauer der Umfrage kann dabei jeweils 1 Tag, 3 Tage, eine Woche oder zwei Wochen dauern. Im Vergleich dazu bietet eine Abstimmung über die LinkedIn Reaktionen insgesamt 6 Antwortmöglichkeiten, die Dauer der Umfrage kann nicht eingeschränkt werden.
Die Umfrage “Abstimmungen via Interkation auf Linkedin”
Abstimmung auf LinkedIn via “Abstimmung”
Eckdaten LinkedIn (Abstimmungsdauer 7 Tage)
Reichweite auf LinkedIn: 1’502 Ansichten
Interaktionen auf LinkedIn: 5 Reaktionen / 2 Kommentare (inkl. meiner Antwort auf den Kommentar)
Anzahl abstimmende Personen: 142
Verhältnis Reaktionen zu Ansichten: 0,33 %
Verhältnis Abstimmungsresultate zu Ansichten: 9,45 %
Fairerweise muss man eingestehen, dass die Abstimmungsfunktion über die Umfrage von LinkedIn weder besonders sexy aufgebaut, noch sehr funktional ist und schon gar nicht Aufmerksamkeit generiert, dh. so ein typisches Mauerblümchen.
Die Feedback-Quote stellt sich bei der Abstimmung über die Abstimmungsfunktion Umfrage mit 9,45 % zu 8,70 % leicht besser dar, als beim Bildbeitrag mit Abstimmung über die Interaktionen.
Die Reichweite in Verbindung mit der Interaktion spricht eine deutliche Sprache: innerhalb von 7 Tagen hat die “billige” Variante eine rund 25-fache Reichweite generiert – und generiert bis heute noch zusätzliche Reichweite und Interaktion.
Spannend ist allerdings, dass trotz extremer Reichweitenunterschiede bei einer ähnlichen Feedback-Quote, die Abstimmungsresultate bei der Abstimmung “Home Office vs. Büro” sehr ähnlich lagen, obwohl die Anzahl der Feedbacks sich massiv unterscheiden.
Sehr spannend in diesem kleinen Test ist die Tatsache, dass beim Test mit der ersten Abstimmung, die ich sowohl auf LinkedIn wie auch auf Facebook geteilt habe, LinkedIn deutlich Facebook in der Reichweite schlägt, obwohl die “Followerzahl” auf Facebook deutlich höher ist. Ebenfalls spannend ist auch der Umstand, dass Facebook innert kurzer Zeit massiv mehr Reichweite als LinkedIn generiert hat, allerdings die Verbreitung schnell stagnierte. Facebook hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass Beiträge mit Engagement-Baiting-Charakter durch den Algorithmus abgestraft werden. Die entsprechend schnelle Stagnierung der Reichweite könnte ein Indiz dafür sein, dass der Algorithmus von Facebook “intelligent” genug ist, ein entsprechendes Engagement-Baiting zu erkennen.
Eben, ich nehme Kritik grundsätzlich ernst, na ja, teilweise. Ich habe auf Grund der Kritik einen dritten Versuch durchgeführt und Menschen auf LinkedIn in einer Interaktions-Abstimmung gefragt, ob man Abstimmungen via Interaktion machen darf? Ein bisschen Selbstreferenzialität schadet nicht…
Auch dieser Beitrag hat nicht schlecht performt, wenn auch nicht so gut wie die “allgemein” gehaltenen Fragestellungen, wo theoretisch jede Person eine Meinung dazu hat.
Eckdaten LinkedIn
Reichweite auf LinkedIn: 12’183 Ansichten
Interaktionen auf LinkedIn: 145 Reaktionen / 85 Kommentare (inkl. meiner Antworten auf Kommentare)
Verhältnis Reaktionen zu Ansichten: 1,2 %
Die Abstimmung hat folgendes Resultat gezeigt:
Selbstverständlich darf ich das. Warum sollte ich das auf einer Business-Plattform nicht dürfen? Grundsätzlich ist alles erlaubt, was für das gesteckte Ziel adäquat einzahlt. Ob die Form aussagekräftig ist, lasse ich an dieser Stelle offen. Würde man beispielsweise das eigentliche “gefällt mir” nicht in die Abstimmung aufnehmen, würde das Resultat wahrscheinlich weniger verfälscht werden, müssten doch so abstimmende Personen zuerst eine klare Auswahl treffen und ein “gefällt mir” aufgrund von Interesse am Beitrag entfällt. Ob nun die gewählte Form tatsächlich ein Engagement-Baiting darstellt oder nicht, dürfte mit dem Ziel zusammen hängen. Liegt mein Ziel darin, billige Reichweite zu generieren, wäre das Vorgehen ein klares Engagement-Baiting und damit allenfalls “billig”. Liegt mein Ziel bei der Generierung von Feedback, ist die angewandte Methodik ein adäquates Mittel, insbesondere es LinkedIn nicht schafft, ein Tool anzubieten, welches auch Aufmerksamkeit generiert. Falls hier ein LinkedIn-Mitarbeiter mitliest: man könnte durch die Integration eines Bildes oder Videos ein wesentlich attraktiveres Format schaffen, mit ein bisschen gutem Willen findet man im Web durchaus gute Umfragefunktionen, die Funktionalität und Aufmerksamkeit miteinander ideal verbinden.
In meinem Fall, und so ehrlich bin ich, waren mir die Abstimmungsresultate relativ egal. Mir ging es primär darum, Interaktion, bzw. Engagement zu generieren, um damit zu spielen und zu testen, also typischerweise Engagement-Baiting. Mein Ziel lag darin, verlässliche Aussagen zu Engagement-Baiting machen zu können. Auch in diesem Fall dürfte das Ziel die Methode rechtfertigen. Dh. mit anderen Worten “ich darf”. Und wenn ich es trotzdem aus irgend einem Grund nicht dürfen sollte, weil einige wenige andere Mitmenschen auf LinkedIn sich daran stören, dann darf ich es trotzdem, weil “jedem recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann” und grundsätzlich dieses Vorgehen nicht auf meine Positionierung einzahlt und meiner Grundhaltung übereinstimmt.
Wie bereits beschrieben, ging es mir in meinem Fall darum, meine Vermutungen mit Resultaten zu bestätigen. Die hohe Interaktion mit den Abstimmungsbeiträgen hatte im Dezember und Januar einen sehr positiven Einfluss auf die Reichweite meiner normalen Beiträge, die zum Teil auf meine Business-Ziele einzahlen müssen. Die durchschnittliche Reichweite pro Beitrag im Verhältnis zur Anzahl der Verbindungen stieg um über 150 %. Wenn man dabei bedenkt, dass doch einige meiner Beiträge ein klares Ziel verfolgen, wie beispielsweise Awareness für den Podcast, den Newsletter oder Seminarangebote von Hutter Consult AG zu steigern, dürfte der Nebeneffekt “bares Geld” darstellen, insbesondere man für entsprechende zusätzliche Reichweite über die Werbefunktion von LinkedIn doch gut und gerne 40 – 90 Euro pro 1’000 Impressionen bezahlt.
LinkedIn funktioniert ähnlich wie Facebook. Der grosse Unterschied zu Facebook liegt aktuell darin, dass der News Feed Algorithmus von Facebook besser als der Algorithmus von LinkedIn zwischen Engagement-Baiting und “regulären” Beiträgen unterscheiden kann und entsprechend die Verbreitung reduziert. Die Grundmuster von Interaktion, Beteiligung und Spass bleiben aber auf beiden Plattformen identisch, dh. Menschen unterscheiden sich nicht anhand der Plattform-Auswahl…
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Einmal abgesehen vom äußerst interessanten Inhalt und den aufschlussreichen Ergebnissen dieses Experiments (vielen Dank dafür!!) wünsche ich mir grundsätzlich mehr Kommentare von BesserMACHER*innen als BesserWISSER*innen. Und zwar auf allen Plattformen, nicht nur LinkedIn. Zitat:
“…schliesslich sind wir ja auf der seriösen Business-Plattform LinkedIn unterwegs, wo Besserwisser*innen und Belehrer*innen doch recht häufig anzutreffen sind”
Eine sehr interessante und lesenswerte Seite, die ich nur weiterempfehlen kann.
Es grüßt Harald Adam
aus Oberhausen