Am Anfang waren es nur wenige Unternehmen, die erkannten, dass das Wissen von Konsumenten ausserhalb der eigenen vier Wänden dazu führen kann, Produktinnovation auf den Markt zu bringen und damit einen Innovationsvorsprung gegenüber der Konkurrenz zu realisieren. Das Social Web eröffnet auf Grund der immer stärker werdenden Vernetzung der User untereinander oder mit Organisationen sowie […]
Am Anfang waren es nur wenige Unternehmen, die erkannten, dass das Wissen von Konsumenten ausserhalb der eigenen vier Wänden dazu führen kann, Produktinnovation auf den Markt zu bringen und damit einen Innovationsvorsprung gegenüber der Konkurrenz zu realisieren. Das Social Web eröffnet auf Grund der immer stärker werdenden Vernetzung der User untereinander oder mit Organisationen sowie der für Social Media charakteristischen Offenheit und Einfachheit zur Partizipation sehr viel Potential vom kollektiven Wissen der Masse (Knowledge of the crowd) zu profitieren. Die Möglichkeit gewisse Aufgaben eines Unternehmens an eine undefinierte Gruppe von Menschen im Internet auszulagern nennt sich Crowdsourcing.
Jeff Howe (2008) definierte Crowdsourcing folgendermassen:
Crowdsourcing is the act of taking a job traditionally performed by a designated agent (usually an employee) and outsourcing it to an undefined, generally large group of people in the form of an open call.
In der Praxis fällt auf, dass einige Menschen unterschiedliche Auffassungen darüber haben, was unter Crowdsourcing genau zu verstehen ist. Der erste Gedanken im Zusammenhang mit Crowdsourcing ist oft der Bereich der Produktinnovation. Innovationen mit einer Gruppen von Social Media Benutzern voranzutreiben ist bestimmt eines der spannendsten Einsatzgebieten von Crowdsourcing. Gerade in diesem Bereich finden einige interessante Massnahmen im Social Web statt, auf welche gleich noch exemplarisch eingegangen wird.
Jeff Howe erklärt was Crowdsourcing ist:
Nach Sloane (2011) gibt es 4 Kategorien von Crowdsourcing:
Es gibt also mehr Ausprägungen von Crowdsourcing als nur der Bereich des Innovations Managements. Die vier Kategorien überschneiden sich jedoch teilweise inhaltlich. Es geht darum vom Wissen oder den spezifischen Fähigkeiten von Menschen zu profitieren um zusammen Probleme zu lösen. Der grosse Vorteil des Crowdsourcings liegt in der Diversität. Durch die Partizipation einer grossen Masse von Menschen können mehr und teilweise bessere Ideen generiert werden, als das mit einigen wenigen Menschen möglich wäre.
Nicole Martin, Stefan Lessmann und Stefan Voß (2008) haben ebenfalls einen Versuch unternommen den Begriff Crowdsourcing zu definieren:
Crowdsourcing ist eine interaktive Form der Leistungserbringung, die kollaborativ oder wettbewerbsorientiert organisiert ist und eine große Anzahl extrinsisch oder intrinsisch motivierter Akteure unterschiedlichen Wissensstands unter Verwendung moderner IuK-Systeme auf Basis des Web 2.0 einbezieht. Leistungsobjekt sind Produkte oder Dienstleistungen unterschiedlichen Innovationsgrades, welche durch das Netzwerk der Partizipierenden reaktiv aufgrund externer Anstöße oder proaktiv durch selbsttätiges Identifizieren von Bedarfslücken bzw. Opportunitäten entwickelt werden.
Interessant an der Definition nach Martin, Lessmann und Voss (2008) ist, dass darauf hingewiesen wird, dass neben extern angestossenen Projekten auch proaktiv von den User initiierte Projekte möglich sind. Es ist also durchaus denkbar, dass sich Konsumenten selbständig organisieren (intrinsische Motivation) um gewisse Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern (Leistungspflege) oder Vorschläge für Neuheiten leifern (Leistungsinnovation). Diese intrinsische Motivation gilt es zu nutzen. Immer öfter erwarten die User für ihren Einsatz respektive ihre Leistung einen Gegenwert oder Anreiz (Extrinsische Motivation). In der Praxis sieht man bei Crowdsourcing-Projekten immer öfters, dass bei den von Unternehmen initiierten Projekten gezielt Anreize (Bsp. Gewinnen eines iPads) für die Partizipation der Masse in Aussicht gestellt werden.
Ein schönes Beispiel dafür dass es auch Crowdsourcing-Projekte gibt die von Benutzern selbst initiiert wruden, liefert der Chips Hersteller Zweifel, welcher seine Zwiebelringe während 15 Jahren nicht mehr verkaufte. Über Facebook organisierten sich Fans von Zwiebelringen und forderten die geliebten Zwiebelringe zurück. Dies geschah intrinsisch motiviert – die Facebook-Benutzer wurden von sich aus aktiv. Zweifel nahm den Input der rund 12’000 Mitglieder einer Facebook Gruppe auf und liess die Zwiebelringe wieder produzieren – zur grossen Freude der Fans. Für das Image von Zweifel war das Umsetzen der Kundeninitiative ebenfalls sehr wertvoll. Solche Massnahmen lassen sich PR-technisch sehr gut kommunizieren. Es handelt sich also hierbei um ein “proaktives” Crowdsourcing (vgl. Martin, Lessmann & Voss, 2008) bei welchem die Akteure eigenständig den Bedarf nach diesen Zwiebelringen identifizierten.
Ein weiteres Beispiel für Massnahmen aus dem Bereich Crowdsourcing liefert die Migros (Detailhandelsunternehmen in der Schweiz), welche bereits einige Produkte durch die Community entwickeln liess und diese auch erfolgreich auf den Markt brachte.
Ähnlich wie beim Beispiel Zweifel wurde von Fans des Migros-Ice-Teas vorgeschlagen, dass man den beliebten Eistee auch als praktische PET Flasche anbieten soll. Die Migros hatte es verstanden diesen Input auch umzusetzen und den Eistee im PET-Format in den Handel zu bringen. Nach diesem Erfolg wurde hatte die Migros seine Kunden aufgerufen bei der Ideensuche nach neuen Konfitüre-Sorten (Marmelade) mitzumachen. Auch diese Massnahme war erfolgreich. 1002 Marmelade-Kreationen wurden von den Migipedia Community Mitgliedern eingereicht (Crowd Creation). Von diesen 1002 Ideen wurden die 20 besten Rezepte gekocht und von Migipedia-Mitgliedern degustiert und bewertet. Nach der Degustation konnte die Community darüber abstimmen, welche der 5 besten Konfitüren in die Regale der Migros aufgenommen werden sollten. Rund 4’300 Migros-Kunden haben bei der Abstimmung auf Migipedia mitgemacht (Crowd Voting). Die Gewinner waren die Varianten Erdbeermund und Herbstsünde und kamen Anfang September 2011 als limitierte Edition in die Migros-Regale.
Die Migros hat es verstanden die Community in alle Entwicklungsschritte zu integrieren. Seit den ersten Erfolgen mit Crowdsourcing werden immer wieder neue Produkte mit Kunden/Fans der Migros entwickelt (Crowd Creation/Collective intelligence) oder diese bei Entscheidungen zu neuen Produktlancierungen befragt (Crowd Voting). So kam kürzlich eine neue Variante eines Fünfkorngebäcks mit Käsegeschmack (Blévita Gruyère) in die Ladenflächen der Migros.
An den Aktivitäten von Migros kann sehr schön gesehen werden, dass sowohl die kollektive Intelligenz, die Crowd Creation und das Crowd Voting – also drei der vier Kategorien des Crowdsourcing – eingesetzt wurden um zusammen mit der Community ihre Produkte zu verbessern oder neue zu entwickeln.
Gegenwärtig läuft auch eine Crowdsourcing-Massnahme von Griesson de Beukelaer bei welcher die Facebook-Community unter dem Motto “Back dir deinen Traumprinzen!” aufgefordert wird eigene Kreationen für eine Sonderedition, die 2012 in die Regale kommen soll, einzureichen. Das Prinzip ist sehr ähnlich wie bei der Marmelade-Kreation der Migros. Über eine Facebook-App kann man zwischen 140 Zutaten zwei Zutaten individuell kombinieren, einen Namen festlegen und übermitteln. Aus allen Vorschlägen, wählt anschliessend eine Jury (Mitarbeitende von Griesson de Beukelaer und drei Facebook Fans) die 20 Besten Kreationen aus. Aus diesen 20 Kreationen dürfen anschliessend die Facebook Fans den Sieger bestimmen. Neben dem Bestimmen der Geschmacksrichtung kann auch über den Namen und die Verpackung (Design) abgestimmt werden. Die Fans werden auch in diesem Beispiel in alle Entwicklungsschritte – welche zeitlich versetzt stattfinden – involviert. Auch in diesem Beispiel wird sowohl die kollektive Intelligenz, die Crowd Kreation (co-creation) und das Crowd Voting eingesetzt.
Iglo lässt seine Facebook Fans bei der Entscheidung partizipieren (Crowd Voting) welches neue Schlemmer-Filet 2012 auf den Markt kommen soll. Hier handelt es sich ausschliesslich um Crowd Voting. Die Fans können keine eigenen Kreationen vorschlagen, sondern lediglich mitbestimmen, welches von drei Schlemmerfisch-Filets, “Hüttenschmaus”, “Toskana” oder “Rosmarin-Zitrone”, auf den Markt kommen soll. Die Abstimmung findet ebenfalls über eine Facebook-Applikation statt, welche auf der Facebook-Seite von Iglo “Blubb Club” zu finden ist. Iglo motiviert seine Fans mit extrinsischen Anreizen um möglichst viele Stimmen zu erhalten und somit auch ein möglichst verlässliche Bild für den Produktionsentscheid zu gewinnen. Neben 3 iPads können auch 33 mal drei Schlemmer-Filets gewonnen werden. Grund genug zum mitmachen. Oder?
Manchmal ist es gar nicht so einfach zu entscheiden, wann es sich um Crowdsourcing und wann eher um Marktforschung handelt. Crowdsourcing und Markforschung können sich inhaltlich überschneiden. Gerade wenn es um den Bereich Crowd Voting geht, kann es sich dabei auch um eine klassische Kundenbefragung handeln.
Die SonntagsZeitung befragt gegenwärtig seine Facebook Fans, was sie von der Präsenz der Zeitung auf Facebook erwarten. Es handelt sich also zum einen um Crowd Voting, da die Fans ihre Meinung zu zukünftigen Inhalten abgeben können, zum andern beinhaltet die Befragung auch Marktforschungselemente. Wer bei der Umfrage mitmacht hat zudem die Chance 3 Tage in einem luxuriösen Hotel oder eine von 50 Flaschen Champagner zu gewinnen (Anreize). Crowdsourcing kann also auch sinnvoll eingesetzt werden, wenn die Community noch nicht über tausende von Fans verfügt.
Für Untenehmen entstehen verschiedene Vorteile aus dem Einsatz von Crowdsourcing. Zum einen wird den Konsumenten eine Möglichkeit geboten aktiv an Entscheidungen und Entwicklungen teil zu haben, wodurch anzunehmen ist, dass diese Kunden sowohl loyaler werden und auch aktiv Mundpropaganda betreiben, zum anderen kann eine Unternehmung dadurch Kosteneinsparungen in der Entwicklung realisieren und gutes Storytelling betreiben die für weitere Social Media Aktivitäten und für PR-Zwecke verwendet werden können.
Weiter wird durch solche Aktionen auch die eigene Community gestärkt. Wenn diese Fans Vorschläge machen können, die anschliessend auch umgesetzt werden, merken sie, dass sie ernst genommen werden (Anerkennung). Man muss jedoch für das Durchführen von Crowdsourcing-Massnahmen ein durchdachtes Konzept zur Hand haben. Fans die viel Zeit und Herzblut in ihre Kreationen stecken, können es nicht ertragen, wenn ein Unternehmen, bei welchem die Kreationen aus dem Ruder laufen, anfangen die Spielregeln, ohne Einbezug der Beteiligten, zu ihren Gunsten zu verändern.
Das Beispiel Pril hat gezeigt, dass man sich als Unternehmen besser an vorab definierten Spielregeln hält und auch den Mut hat Fan-Kreationen zu vermarkten, die nicht zum bisherigen Branding einer Marke passen. Ansonsten besteht immer die Gefahr, dass aus einer spannenden Crowdsourcing-Massnahme ein Shitstorm entsteht, der sich nachhaltig negativ auf eine Marke auswirken kann.
Pril hatte sich im Frühjahr 2011 dazu entschieden die Crowd für einen Design-Wettbewerb zu aktivieren. Dabei ging es darum neue Flaschendesigns für Pril zu entwickeln, welche in limitierter Auflage in den Handel kommen sollten. Dafür stand den Fans eine Anwendung zur Verfügung mit welcher man eine Prilflasche gestalten konnte. Neben Sonnen- und Regenbogenmotiven konnten die User auch eigene Designs gestalten. So entstanden Motive wie das Pril-Monster, das Pril-Hänchen oder die Nasenbrille, welche von der Community mit vielen Stimmen belohnt wurden. Aus Sicht von Henkel entsprachen diese Motive jedoch nicht ihren Vorstellungen für eine Pril-Flasche, die in den Handel gelangen könnten. So wurden während dem Wettbewerb durch Henkel die Spielregeln verschärft – Motive mussten durch das Pril-Team freigegeben werden – und noch viel gravierender, wurden Stimmen von Henkel bereinigt. Die beliebtesten Designs wurden durch konventionelle und weniger kreative Designs ersetzt, wodurch sich die Rangliste massiv veränderte. Ausgefallene Designs verschwanden plötzlich aus den Top Ten.
Henkel teilte mit, dass gewisse Teilnehmer mit Hilfe technischer Mittel die Stimmen für ihre Designs manipuliert hätten und sie diese aus Fairnessgründen wieder bereinigen mussten. Das war natürlich alles andere als glaubwürdig – der Verdacht auf Manipulation machte sich breit. Dies löste einen Shitstorm aus, der sich sehr negativ auf Pril auswirkte. Tausende negative Kommentare gingen auf Facebook und Twitter ein, die ihre Empörung über das Eingreifen von Pril ausdrückten. Der Vorwurf, dass Henkel den Wettbewerb manipulierte wurde von Henkel abgestritten. Während dem Shitstorm hatte Pril es nicht verstanden einen offenen Dialog zu führen. Was zusätzlich Öl ins Feuer goss, was das Zensieren einiger Kommentare. In einer solchen Situation unliebsame Kommentare zu löschen ist nie ratsam. Der gesamte Wettbewerb wurde zu einer Farce und für Henkel ein PR-Debakel. Welche Designs, nach dem Eingriff von Henkel gewonnen haben, ist in der untenstehenden Abbildung zu sehen.
Das nachfolgende Video welches während dem Shitstorm von Pril entstanden ist, will ich euch nicht vorenthalten “Pril Propaganda / !! ACHTUNG SATIRE !!”:
Um die Fans im Anschluss an die missglückte Crowdsourcing-Aktion zu besänftigen, hat Pril entschlossen das Motiv des legendären Pril-Monsters in limitierter Auflage an seine Fans zu verschenken. So konnte man 111 dieser Flaschen über eine Facebook-Applikation per Zufallsgenerator gewinnen und wer dabei kein Glück hatte, konnte eine von 777 Flaschen ab Lager zu normalen Verkaufspreisen zuzüglich Porto bestellen.
Wichtig für Unternehmen, die Crowdsourcing-Massnahmen durchführen wollen, ist eine gut durchdachte Planung. Es ist ratsam bereits von Beginn an klare Spielregeln zu definieren und den offenen Dialog mit der Community zu führen. Wer versucht im Hintergrund die Massnahmen zu manipulieren, kann damit rechnen, dass sich die Benutzer gegen einen stellen und ihren Frust, ohne Blatt vor den Mund zu nehmen, kommunizieren.
Man sollte sich jedoch nicht durch solche Vorfälle davon abhalten lassen selbst Crowdsourcing einzusetzen. Es gibt bereits einige Cases von denen man lernen und somit bereits vor der Durchführung mögliche Gefahren einkalkulieren kann.
In diesem Sinne: Let’s get ready for crowdsourcing!
Social Media Crowd Sourcing Kundenpartizipation hat Potential