Social Media ist für immer mehr Unternehmungen ein strategisch relevantes Thema. Gemäss der „IBM 2010 CEO Study“ gehört das „Getting closer to customers“ zur top Priorität vieler Organisationen. Kein Wunder dass immer mehr Unternehmungen versuchen, sich im Social Web zu präsentieren und darauf hoffen, dass sich irgendwelche Interessenten mit ihnen unterhalten oder gar ihre Inhalte […]
Social Media ist für immer mehr Unternehmungen ein strategisch relevantes Thema. Gemäss der „IBM 2010 CEO Study“ gehört das „Getting closer to customers“ zur top Priorität vieler Organisationen.
Kein Wunder dass immer mehr Unternehmungen versuchen, sich im Social Web zu präsentieren und darauf hoffen, dass sich irgendwelche Interessenten mit ihnen unterhalten oder gar ihre Inhalte viral weiterverbreiten. Doch wie sieht es mit den Konsumenten aus? Wollen diese wirklich ihre knappe Zeit damit verbringen, sich im Social Web mit Unternehmungen zu unterhalten und mit deren Inhalten zu interagieren?
Diese und weiter Fragen wurden in der IBM-Studie „From social media to social CRM“ untersucht. Zu diesem Zweck wurden weltweit 1‘056 Konsumenten und 351 Führungskräfte befragt. Zudem wurden, um neben quantitativen Daten auch qualitative zu erheben, 17 Interviews mit Führungskräften aus den USA und Grossbritannien durchgeführt.
Wie in der untenstehenden Grafik gesehen werden kann, ist die Generation Y (18-35 Jahre alt) über alle Social Media Kanäle hinweg am stärksten vertreten. Die etwas ältere Generation X (36-45 Jahre alt) weist nur kleine Unterschiede gegenüber der Generation Y auf. Etwas weniger stark vertreten sind jedoch die Baby Boomers (46+). Verglichen mit einer Erhebung aus dem Jahr 2009 konnte aber gerade bei den Baby Boomers das grösste Wachstum im Bereich Social Networking festgestellt werden. Im Jahr 2009 nutzten lediglich rund 50% der Baby Boomers Social Networks, wie Facebook oder LinkedIn. Ein Jahr später wuchs die Nutzung bereits auf 72% an. Ausserdem ist festzustellen, dass die ältere Generation weniger an Sharing, Blogging, Microblogging oder andern Möglichkeiten interessiert sind. Rund 20% der befragten Baby Boomers haben angegeben, dass sie über keine Konten im Social Web verfügen. Das bedeutet, dass bei den Baby Boomers noch ein grosses Potential vorhanden ist um diese zu aktivieren.
Social Networking Seiten sind über alle Generationen hinweg am beliebtesten. Dies hat gemäss den Untersuchungen von IBM damit zu tun, dass Leute dort anwesend sein wollen, wo ihre „circles of influence“ präsent sind, da dort die relevanten Gespräche stattfinden. Nischenseiten, wie Review-Seiten oder Social Bookmarks werden hingegen weniger besucht.
Wahrscheinlich haben alle schon von der Social Technographic Ladder und der 90-9-1-Regel gehört. Ähnlich wie bei diesen Modellen wurden die befragten Konsumenten in „Engaged Authors“ (5%), „Casual Participants“ (75%) und „Silent Observer“ (20%) eingeteilt. Für Unternehmungen ist es relevant zu wissen, dass nicht alle Konsumenten in Social Web übermässig aktiv sind und regelmässig Likes, Kommentare oder gar eigene Postings hinterlassen.
Bei den Engaged Authors handelt es sich um eine kleine Gruppe von Menschen, welche fast immer auf Kommentare anderer User oder den eigenen Posts antworten. Wenn Unternehmungen an Engagements im Social Web denken, haben sie oft genau diesen Usertyp vor ihrem geistigen Auge. Der grösste Teil der User kann der Gruppe der Casual Paricipants, welche nur zwischendurch Inhalte Kommentieren oder eigenen Content posten, zugeordnet werden. Die Silent Observer sind User welche lediglich mitlesen, selbst aber nicht partizipieren – passive Konsumenten.
Für Unternehmungen bedeutet das, dass sie versuchen sollten, die relevanten Engaged Authors zu identifizieren, mit diesen zu kollaborieren und von deren Einfluss als Marken-Evangelisten zu profitieren. Auch die Casual Participants und die Silent Observer bieten ein grosses Aktivierungspotential. Dazu ist es gemäss IBM notwendig, dass man diese Gruppen zielgerichtet über Multichannel-Kampagnen versucht anzusprechen und ihnen Anreize bietet sich mit einer Marke auseinander zu setzen sowie mit dieser zu interagieren.
Wie in der untenstehenden Grafik gesehen werden kann, sind Unternehmungen, ähnlich wie die Konsumenten, hauptsächlich in Social Networks aktiv. Gerade Facebook bietet dazu sehr viele Möglichkeiten um mit den relevanten Zielgruppen einen Dialog zu führen oder diese auf kreative Art und Weise zu unterhalten. Jedoch sind auch Social Channels zum Teilen von Inhalten oder Mikroblogging Seiten, wie etwa Twitter, von grossem Interesse für die Mehrheit der befragten Unternehmungen. Als Grund für die Präsenz von Organisationen im Social Web wurde von 70% der befragten Führungskräften gesagt, dass sie von den relevanten Anspruchsgruppen ohne Social Media Engagement als „out of touch“ wahrgenommen würden. Viele Unternehmungen glauben, dass sie mit einer entsprechenden Social Media Kampagne ihr verstaubtes Image wettmachen können. Zudem glauben 50% der interviewten CEOs, dass ihre Konkurrenz bereits erfolgreich neue Kunden durch Social Media erreichen würden. Verständlich also, dass diese das Potential von Social Media auch für ihre Organisation nutzen wollen – und das eben dort wo sich die relevanten Zielgruppen aufhalten.
Für die meisten Konsumenten steht die Vernetzung mit Freunden und Familienangehörigen, und nicht etwa die Interaktion mit Unternehmungen im Vordergrund. Weiter interessieren sie sich für brandaktuelle Neuigkeiten sowie die Möglichkeit sich unterhalten zu lassen (Entertainment). Auch das Teilen von Meinungen oder das Lesen von Reviews ist sehr beliebt. Für viele Unternehmungen wird die Tatsache, dass nur 23% der befragten Konsumenten angaben, mit Organisationen in Kontakt treten zu wollen, eher enttäuschend sein. Man sollte sich mal fragen, was man selbst gerne in Social Media macht. Für gewisse User-Gruppen mag es sein, dass sie gerne viel Zeit damit verbringen Dialoge mit Marken zu führen um sich mit diesen verbunden zu fühlen. Gerade bei Marken, welche viele Menschen faszinieren, wie das beispielsweise bei Apple der Fall ist, kann für die Konsumenten auf Grund der Interaktion ein intangibler Wert entstehen – sich mit der Marke verbunden fühlen und Teil der Community sein. Oft ist das bei Marken der Fall, die über eine aktive Brand Community verfügen – die Marke als Faszination.
Gemäss der Studie stellen Privatsphären-Bedenken (47%) und Spam (42%) die dominanten Gründe für den Verzicht einer Interaktion mit Marken respektive Unternehmungen dar. Weitere 34% haben zudem ganz einfach kein Interesse sich mit Unternehmungen im Social Web auseinander zu setzen.
Von 45% jener Konsumenten welche mit Marken interagieren, meinten 66%, dass sie vor einer Interaktion mit Unternehmungen fühlen müssen, dass diese ehrlich kommuniziert. Unternehmungen müssen sich der Tatsache bewusst sein, dass weniger als die Hälfte ihrer Kunden potentiell mit ihnen im Social Web interagieren werden. Wichtig ist deshalb zu hinterfragen, wieso die eigenen Kunden über Social Media und nicht über traditionelle Kanäle mit ihnen in Kontakt treten sollten.
Bei der IBM-Studie wurden Konsumenten nach den Gründen für eine Interaktion mit Unternehmungen im Social Web befragt. Auch Führungskräfte wurden dazu befragt, wieso sie denken, dass Konsumenten im Social Web mit Marken oder Unternehmungen interagieren. Bei der Gegenüberstellung der beiden Antworten konnte eine signifikante Wahrnehmungslücke identifiziert werden, wie in der untenstehenden Abbildung zu sehen ist. Die meisten befragten Unternehmungen haben beinahe eine gegensätzliche Auffassung darüber, was für Konsumenten bezüglich einer Interaktion mit ihnen relevant ist.
Bei den Interviews mit Führungskräften wurde von 65% der befragten gesagt, dass sie in Social Media eine neue Einkommensquelle sehen. Jedoch glauben sie, dass Konsumenten an Rabatten und Coupons nur wenig interessiert seien. Doch genau diese beiden Punkte wurden von den meisten Konsumenten als relevante Gründe für eine Interaktion mit Unternehmungen im Social Web genannt. Für die Konsumenten ist es auf Grund der Studie zentral einen tangiblen Wert für die Interaktion mit Organisationen zu erhalten – quasi eine Art Gegenleistung. Das Gefühl der Verbundenheit mit einer Marke oder auch der Community-Gedanke stehen ziemlich weit hinten im Konsumenten-Ranking.
Die Antworten der Konsumenten werden nicht nur die interviewten Führungskräfte, sondern auch eine ganze Reihe von Beratern im Bereich Social Media überraschen. In der gegenwärtigen Literatur zum Thema Social Media kann immer wieder gelesen werden, dass Konsumenten im Social Web nicht per se an kommerziellen Transaktionen interessiert sind. Die Tatsache, dass die Möglichkeit zum Direktkauf an zweiter Stelle im Konsumentenranking steht, hat auch mich sehr stark überrascht. Klar war, dass man den Konsumenten einen Mehrwert (tangibel/intangibel) für ihre Engagement bieten muss. Dass dieser monetärer Natur sein sollte, hätte ich nicht erwartet.
Für die Befürwortet von Social Commerce wird dieses Studienergebnis jedoch sehr erfreulich sein. Man kann darüber debattieren ob es sinnvoll ist direkt in den jeweiligen Social Channels Einkaufsmöglichkeiten anzubieten oder nicht. Das sich der Social Commerce, beispielsweise Facebook Commerce, zukünftig durchsetzen wird, ist durchaus vorstellbar. IBM ist der Meinung, dass sich Social Commerce sehr rasch zu einer treibenden Kraft in Social Media entwickeln wird und glaubt, dass Kosteneinsparungen, exklusive Angebote und die direkten Einkaufsmöglichkeiten die Privatsphären-Bedenken vieler Konsumenten überwiegen werden. Über Social Media könnte es also zukünftig möglich sein, sich als Konsument vor der Kaufphase nicht nur zu informieren und Meinungen beim Freunden und Bekannten einzuholen, sondern auch gleich das jeweilige Produkt über diesen Kanal zu beziehen. Für viele Konsumenten sei es hart einem „one-stop shopping“-Erlebnis zu wiederstehen, so IBM.
Die IBM-Studie hat sehr schön aufgezeigt, dass Unternehmungen beim Konzipieren ihrer Social Media Strategie nicht von sich (Inside-out-Perspektive), sondern den Bedürfnissen der relevanten Zielgruppen (Outside-in-Perspektive) ausgehen sollten. Weiter sollte man sich genau überlegen, welchen Mehrwert (Nutzenkonzept) man den aktiven Konsumenten für ihr Engagement anbieten will. Interessant wäre es zudem herauszufinden, wie es mit dem Bedürfnis nach Social Commerce im deutschsprachigen Raum aussieht. Möglicherweise ist dieses Bedürfnis, entgegen den Studienergebnissen von IBM, bei uns noch gar nicht so stark ausgeprägt.