Seit einiger Zeit hat sich ein neues Buzz-Wort im deutschsprachigen Raum etabliert. Schon mal was von einem „Shitstorm“ gehört? An fast jeder Social Media Konferenz, die ich in letzter Zeit besucht habe, werden immer wieder die selben Beispiele vorgestellt, bei denen ein so genannter „Shitstorm“ aufgetreten sei. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, dass es […]
Seit einiger Zeit hat sich ein neues Buzz-Wort im deutschsprachigen Raum etabliert. Schon mal was von einem „Shitstorm“ gehört?
An fast jeder Social Media Konferenz, die ich in letzter Zeit besucht habe, werden immer wieder die selben Beispiele vorgestellt, bei denen ein so genannter „Shitstorm“ aufgetreten sei. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, dass es sich nur in den allerwenigsten Fällen auch wirklich um einen Shitstorm handelte.
Ob es an diesem schockierenden und provozierenden Wort liegt, dass sogar etablierte Medien in ihren Artikeln von Shitstorms und nicht von Krisen im herkömmlichen Sinne schreiben – „Only bad news are good news“?
Was auch immer der Grund für die häufige Verwechslung der Begriffe Krisen und Shitstorms sein mag, das Thema hat seine Relevanz. Noch im Jahr 2010 hörte man in Bezug auf Social Media – als neue Disziplin für Marketing, PR und weitere Unternehmensfunktionen – immer wieder, dass Unternehmen grosse Angst vor einem Kontrollverlust bezüglich der Kommunikation im Social Web hätten. Heute wird das oft mit der Angst vor Shitstorms gleichgesetzt. Krisen treten ständig auf – nicht nur im Social Web – diesen kann man mit Empathie, gesundem Menschenverstand und taktischem Geschick entgegenwirken.
Wer sich das nicht zutraut, Angst hat was falsch zu machen oder schlichtweg nicht weiss welche Wirkungszusammenhänge Social Media auszeichnen, der kann professionelle Dienstleistungen beanspruchen.
Eine der ersten Agenturen im deutschsprachigen Raum, die eine Krisenhotline für Unternehmen, die „Opfer“ von Shitstorms geworden sind, anbietet ist talkabout communications.
Um mir ein besseres Bild zur Social Media Krisenhotline von talkbaout communications machen zu können, habe ich Mirko Lange, Geschäftsführer der talkabout communications GmbH, um ein kurzes Interview gebeten.
Hier mal ein kurzes Video zur Idee der Krisenhotline
Aldo Gnocchi:
Die Medien, viele “Social Media Berater” und enorm viele selbsternannte Social Media “Experten” sprechen immer wieder von “Shitstorms”. Wann handelt es sich um einen Shitstorm, wann um eine gewöhnliche Krise?
Mirko Lange:
Nun ja, eine Krise ist nie gewöhnlich. Eine Krise ist per Definition eine Situation, die sich so zuspitzt, dass sie schwer beherrschbar ist. Und das kann dazu führen, dass die normale Geschäftstätigkeit beeinträchtigt ist, weil sich alles dann nur noch um diese Situation dreht. Und das ist eine ernste Geschichte, gar nicht unbedingt wegen Absatzeinbrüchen oder so, ganz einfach deswegen, weil es nervt und die betroffenen Abteilungen fast lahmlegt. Aber man muss das vielleicht einfach von Kritik abgrenzen. Eine „einfache Kritik“ ist selten eine Krise, schon gar nicht, wenn man richtig mit ihr umgeht. Im Gegenteil . Und „Shitstorm“ hat sich einfach als Begriff dafür durchgesetzt, dass im Social Web ganz viele Leute ein Unternehmen oder eine Person harsch kritisieren. Der „Shitstorm“ führt deswegen häufig zu einer Krise, einfach weil so eine Menge an Kritik schwer beherrschbar ist, weil das oft eine ganz unangenehme Situation ist, und weil die Unternehmen das Phänomen gerne schnell beenden würden.
Aldo Gnocchi:
Bei “Shitstorms” ist es relevant möglichst schnell und richtig zu reagieren. Reicht es aus, eine Social Media Krisenhotline anzubieten, die von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr erreichbar ist?
Mirko Lange:
Ja klar, auch zwischen 20:00 Uhr und 08:00 Uhr können kritische Situationen entstehen. Aber man muss die Kirche auch mal im Dorf lassen. Erstens sind die meisten Unternehmen zwischen 20:00 und 08:00 Uhr nicht besetzt. Zweitens sind wir ja trotzdem über Mail erreichbar. Das steht ja überall. Drittens muss man auch nicht immer sofort reagieren. Nehmen wir Beratung bei der Entwicklung einer nachhaltigen Social Media Strategie“)?
Mirko Lange:
Natürlich ist die Krisenhotline auch ein Mittel zur Kundenakquise, was denn sonst? Ob sie clever ist mögen andere entscheiden. Immerhin erzeugt sie einige Resonanz, was für eine gewisse Cleverness entsteht. Aber wenn Du meinst, ob die Krisenhotline nur ein „PR-Gag“ sei, dass sie also nur dafür da sei, Aufmerksamkeit zu erregen und selber keinen Sinnmacht, dann kann ich sagen: Nein, so ist das nicht geplant. Ich halte diesen Service für absolut sinnvoll. Und die Idee ist ja auch nicht aus der hohlen Hand entstanden. Mich haben erstens Leute auf Vorträgen gefragt, ob wir so etwas anbieten, und dann rufen uns auch Kunden und bekannte Unternehmen mindestens einmal im Monat an, weil sie irgendeine Situation im Social Web haben, die sie als kritisch empfinden – auch aus Konzernen und auch aus Abteilungen, für die wir sonst nicht arbeiten. Es gibt also ein Bedarf.
Meiner Meinung nach ist es der richtige Schritt das Bedürfnis vieler Unternehmer zu befriedigen und eine Krisenhotline anzubieten. Das zeichnet für mich ein marktorientiertes Unternehmen aus. Das man damit auch neue Kunden akquirieren kann, ist doch durchaus normal. Wer einem in einer Krisensituation aus der Patsche helfen kann, hat oft auch das Potential strategisch richtig zu reagieren.
Nicht alle nehmen die Krisenhotline so positiv auf wie ich. Der folgende Diskurs in Facebook zeigt andere Meinungen:
Ich habe dazu Barbara Schwede, gebeten ihre Meinung bezüglich einer Krisenhotline kurz darzulegen.
Ich finde die Idee von talkabout sehr gut – die Ängste vor kleineren und grösseren Krisen im Social Web ist für viele Unternehmen ein Faktor, gleich gar keinen Auftritt dort zu wagen. Dass User heute ganz selbstverständlich den Anspruch haben, bei Unternehmen mitzureden wenn es um die Qualität der Produkte und Dienstleistungen oder gar grundsätzlich ums Portfolio geht, ist für viele Unternehmer schwierig. Feedbackkultur, die Bereitschaft, sich im Fall eines Fehlers zu entschuldigen oder einfach mal das schlichte Zuhören sind da bereits grosse Schritte in eine neue Welt. Gerade Firmen, die dann “halt auf Social Media gehen”, weil “man das halt heute muss” und nicht, weil sie die neue Kommunikationsmöglichkeiten schätzen, fühlen sich von negativen Kommentaren oft überfordert.
Mirkos Krisenhotline deckt hier ein Bedürfnis ab – denn wenn die Krise kommt, dann stecken viele Community Manager in der Sandwichposition zwischen Kunden beziehungsweise Krisenagitatoren auf der einen Seite, die mit viel Druck sofortige Antworten und Handlungen erzwingen wollen, und der Unternehmensführung auf der anderen Seite, die nicht so schnell entscheiden kann oder manchmal auch gar keine Zugeständnisse machen will. Dieser Druck führt oft dazu, dass Fehlentscheidungen getroffen oder Antworten ungeschickt formuliert werden. Eine Krisenhotline kann hier helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren und unterstützt den Community Manager in seiner Position – denn wenn der externe Berater eine Meinung vertritt, hört das Management in der Regel doch besser zu als beim eigenen Mitarbeiter.
Allerdings ist es mit der Hotline nicht getan. Die eigentliche Herausfoderung liegt für mich in der Bearbeitung der Krise. Wenn pro Stunde mehre hundert oder gar tausend Kommentare auf die verschiedenen Accounts einprasseln, braucht man vor allem genügend geschulte Mitarbeiter, um die Posts zu lesen, zu bündeln und entsprechend darauf zu reagieren. Meine Idee einer Krisen-Taskforce (in Gründung) geht daher noch einen Schritt weiter: Ein Netzwerk aus unabhängigen Social-Media-Fachleuten aus den Bereichen Community Management, Krisenberatung, SEO, Monitoring, Content-Produktion und juristischer Beratung soll Firmen in Not kurzfristig zur Seite stehen. Denn auch eine Agentur hat doch in der Regel nicht die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit ausreichend Personal freizustellen.
Ob Unternehmen allerdings bereit sind, für diese Art von Dienstleistung dann auch bezahlen, wird sich noch zeigen müssen – noch zu oft wird die Bedeutung von sozialen Medien in Krisen unterschätzt.
Der professionelle Umgang mit Krisen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Reputation eines Unternehmens. Noch immer gibt es zu viele Unternehmen, die entweder noch nicht über genügend Social Media Erfahrung verfügen, denen das relevante Knowhow fehlt, keine Social Media Strategie haben, Social Media nur als ein schönes Add-on ihrer Werbekampagnen oder ihrer Kommunikationsstrategie einsetzen und sich erst im Krisenfall bewusst werden: „Wir brauchen eine solide Social Media Strategie!“.
Ich habe die Vermutung, dass kurz- und mittelfristig viele Agenturen und Beratungsunternehmen die Idee einer (Shitstorm) Krisenhotline anbieten werden – eine logische Konsequenz marktorientierter Unternehmen.
Möglicherweise trägt die professionelle Unterstützung im Krisenfall dazu bei ,dass sich immer weniger Unternehmen vor der Gefahr eines Shitstorms fürchten und anfangen strategisch und taktisch korrekt auf solche Vorfälle zu reagieren.
Was meint ihr, liebe Blogleser, dazu? Ich freue mich auf eure Meinungen!
Hier noch eine kleine Erfrischung. So kann man einen Shitstorm auch erklären 🙂