Retargeting ist tot. Schuld daran hat die fehlende Datenqualität durch stetig zunehmende Einschränkungen in der Messung von Handlungen auf Webseiten und Apps. Zumindest wird das mehr und mehr propagiert. Wir sind anderer Meinung und zeigen auf, welche Auswirkungen die aktuellen Tracking-Einschränkungen auf Retargeting-Strategien haben und präsentieren Ansätze, wie Werbetreibende Funnel- und Retargeting-Kampagnen neu denken können, um ihre Zielgruppen weiterhin effektiv zu erreichen.
Die digitale Werbebranche steht vor grossen Herausforderungen. Privatsphäre und der Schutz von Daten im Internet rücken immer weiter in den Fokus – und das zurecht. Infolgedessen haben Regierungen und Unternehmen in den letzten Jahren verschiedene Tracking-Einschränkungen und Datenschutzmassnahmen eingeführt, die es für Werbetreibende schwieriger machen, ihre Zielgruppen über mehrere Funnelstufen effektiv zu erreichen. Eine solche Massnahme ist beispielsweise das iOS14-Update von Apple, das die Verwendung von Drittanbieter-Cookies einschränkt und App-Tracking-Transparenz erfordert. Auch die EU-Datenschutzgrundverordnung und der zunehmende Einsatz von Cookie-Consent-Banner erschweren es Werbetreibenden, ihre Retargeting-Strategien wie bisher umzusetzen.
Diese Einschränkungen haben zu Debatten rund um Retargeting-Strategien geführt. Experten wie unser geschätzter Kollege Florian Litterst von adsventure.de vertreten die polarisierende Meinung, dass “Retargeting tot ist”, “Funnel nicht mehr funktionieren” und deshalb “alle Zielgruppen in einer Kampagne in einen Topf geworfen werden sollen, um die Ausspielung und das Targeting einer Kampagne dem Algorithmus von Meta zu überlassen”. Doch auch wenn das bei reinen Performance-getriebenen Kampagnen teilweise zutreffen mag, so sehen wir die Aussagen generell als falsch. Michaela Gahbauer (Senior Consultant und Mitglied des Managements) und Thomas Hutter (CEO, Partner MYTY Group) haben deshalb an der AllSocial Marketing Conference (ASMC, ehemals AllFacebook Marketing Conference – AFBMC) am 15. März 2023 mit der Präsentation zu “Tracking-Einschränkungen heisst auch, Kampagnen neu zu denken” die Gedanken der Hutter Consult zur Frage, ob Retargeting tot ist und welche Alternativen es gibt, veröffentlicht.
In diesem Blogbeitrag wird diese Präsentation aufgegriffen. Es wird dargelegt, welche Auswirkungen die aktuellen Tracking-Einschränkungen auf Retargeting-Strategien haben und Ansätze aufgezeigt, wie Werbetreibende ihre Kampagnen anpassen können, um ihre Zielgruppen trotzdem über mehrere Funnel-Stufen effektiv zu erreichen und trotz der Einschränkungen erfolgreich zu sein.
Mindestens seit 2018 und dem Inkrafttreten der DSGVO und der dadurch verbindlichen Cookie-Consent-Abfragen leidet das seit vielen Jahren Cookie-basierte Retargeting / Remarketing stark darunter, dass nicht mehr alle Customer Journeys von Menschen auf Webseiten nachverfolgt werden können. Viele der definierten Datenpunkte & -signale liefern unvollständige Daten über die Tracking-Pixel an die Plattformen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass nur gut 60% aller Menschen dem Setzen von Remarketing-Cookies zustimmen, womit die Datengrundlage für die Bildung von Zielgruppen bereits stark eingeschränkt wird. Dazu kommt, dass Firefox seit 2019 standardmässig Werbecookies (Third-Party-Cookies von Werbeplattformen wie Facebook, Pinterest, LinkedIn & Co.) blockiert und der auf Apple-Geräten vorinstallierte Browser “Safari” mit der Blockade eben dieser Cookies in 2018 ebenfalls begonnen hat und 2020 definitiv nachgezogen ist – trotz geringer Marktanteile gehen also auch hier weitere Daten verloren.
Und als wäre das noch nicht genug… Cookie-basierte Pixel sind noch weiter eingeschränkt:
Betrachtet man alle diese Einschränkungen und Hindernisse, wird schnell klar, dass durch die Messung von Daten auf Cookie-Basis, die für das Retargeting notwendigen Zielgruppen auf Webseiten weder vollständig noch zuverlässig sind. Das heisst aber nicht zwingend, dass Retargeting und Funnel-Kampagnen tot sind. Aber das “klassische Retargeting” über die Webseite und über mobile Apps ist tot.
Bis zu diesem Punkt gehen wir mit der “medizinischen” Pauschalaussage “Retargeting ist tot” von Florian Litterst zumindest teilweise einig. Und doch möchten wir diese verwässern. Denn: Weniger Daten heisst nicht, dass keine Daten mehr vorliegen. Und werden Funnels neu gedacht, weiter auf die Plattformen verschoben und mit pixelbasierten Daten ergänzt, so ist Retargeting weiterhin effektiv möglich, wenn auch komplexer. Mit der Aussage “Das klassische, pixelbasierte Retargeting hängt an der Herz-/Lungenmaschine, das Hirn funktioniert noch, aber es erhält nicht mehr genügend Sauerstoff” trifft die aktuelle Situation besser. Doch bevor aufgezeigt wird, wie Retargeting am Leben erhalten werden kann (um in der thematisch konsistenten Ausdrucksweise zu bleiben), ist eine Herleitung zum Aufbau neuer Funnel-Kampagnen notwendig. Und dazu muss erst geklärt werden:
Trotz der zunehmenden und oben genannten Einschränkungen im Bereich Tracking und Datenschutz bleiben Meta-Plattformen wie Facebook und Instagram weiterhin ein wichtiger Kanal für Retargeting. Im Gegensatz zu Webseiten und mobilen Apps sind die Meta-Plattformen (Facebook & Instagram) nicht von den aktuellen Tracking-Einschränkungen betroffen, da sie ihre eigenen Datenpunkte und Kennzahlen verwenden, um Anzeigen an bestimmte Zielgruppen auszurichten und um Zielgruppen auf Basis dieser Handlungen zu erstellen. Das bedeutet, dass Werbetreibende auf diesen Plattformen weiterhin Zugang zu vollständigen Daten haben und ihre Retargeting-Kampagnen entsprechend optimieren können.
Die genannten Tracking-Einschränkungen und somit reduzierte Retargeting-Möglichkeiten sind also erst dann vorhanden, wenn eine Plattform von Meta (Facebook / Instagram) verlassen wird, um die Webseite oder die mobile App aufzurufen.
Mehrstufige Kampagnen (sogenannte Funnel-Kampagnen) sind wohl eine der erfolgreichsten Marketing-Strategien, um Produkte und Dienstleistungen über mehrere Kontaktpunkte zu bewerben, bevor sie gekauft bzw. in Anspruch genommen werden. Dazu gehören auch Retargeting-Kampagnen, die zwei Funnel-Stufen abdecken (Prospecting und Retargeting). Durch den Verlust. bzw. die Einschränkung der Signale, die Werbetreibende über die Webseite oder die mobile App an Meta zurückspielen können, wird die Messung und Targeting der Kontaktpunkte ausserhalb der Meta Plattformen erschwert. Aber bedeutet das nun, dass Werbetreibende auf die Algorithmen hoffen und auf gezielte, individuelle Ansprachen und Creatives verzichten müssen? Nicht, wenn folgende Massnahmen herbeigezogen werden, um mehrstufige Kampagnen neu zu denken:
Auf die vier wichtigsten der oben zusammengefassten Massnahmen wird in den nächsten Abschnitten detailliert eingegangen.
Im Bereich der Optimierung der bestehenden Datenpunkte spielen pixel- und cookiebasierte Messlösungen wie das Meta Pixel eine wichtige Rolle. Allerdings sind diese Lösungen stark von den Einschränkungen betroffen und werden mittelfristig noch weiter eingeschränkt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, versuchen Plattformen mit serverseitigen Tracking-Anbindungen neue Lösungen zu schaffen. Hier bietet Meta beispielsweise mit der Meta Conversions API bereits eine Schnittstelle an, die als Ergänzung des Meta Pixels eingesetzt werden kann. Die Integration der Conversions API kann dazu beitragen, dem steigenden Verlust von Tracking- und Performance-Daten entgegenzuwirken und die Tracking-Methode im Meta Universum wieder deutlich effizienter zu gestalten. Die CAPI löst zwar nicht alle Probleme, aber sie führt insbesondere in Kombination mit dem klassischen Pixel zu einer Erhöhung der Signale, die durch das Pixel erfasst werden können. Dies wiederum führt dazu, dass die Personalisierung und Auslieferung von Anzeigen auf Basis von Webseiten-Handlungen performanter wird und die darüber generierten Zielgruppen in ihrer Qualität erhöht werden, wodurch sie im Targeting für Ein- und Ausschlüsse relevanter werden. Die Integration der Conversions API – insbesondere in Kombination mit dem Meta Pixel – lohnt sich also auf jeden Fall, um das Potenzial des Pixels in Kombination mit der Conversions API auszunutzen und die Qualität von Zielgruppen zu erhöhen:
Weitere Informationen zur Meta Conversions API:
Durch den Verlust bzw. die Einschränkung der Signale, die Werbetreibende über die Webseite an die Plattformen zurückspielen können, sind die Möglichkeiten zur Bildung von Custom Audiences auf Basis von Webseiten- oder App-Handlungen schwierig. Durch die fehlenden Signale werden diese Zielgruppen kleiner, sind unvollständig und somit qualitativ weniger wertvoll. Sie können dadurch zwar weiterhin für das (Re-)Targeting und die Bildung von Lookalike-Audiences eingesetzt werden, da wenige Daten wertvoller als keine Daten, allerdings müssen auch verlässlichere Datenpunkte geschaffen werden. Und wo finden sich bereits heute Datenpunkte, die nicht von Cookies abhängig sind und so ohne Einschränkung genutzt werden können? Korrekt, auf den Plattformen wie Facebook & Instagram selbst. In Hülle und Fülle.
Facebook und Instagram bieten dafür verschiedene Assets, auf deren Basis Werbetreibende Custom Audiences erstellen können:
Diese “Funnel-Touchpoints” können über verschiedene Werbemittel gezielt befüllt, ausgewertet und weiterverwendet werden.
Wie diese Custom Audiences für mehrstufige Kampagnen oder Retargeting-Kampagnen genutzt werden können? Zeit, die Neugier zu befriedigen…
Wenn es darum geht, den Aufbau von mehrstufigen Kampagnen auf Facebook und Instagram zu optimieren, ist es oft sinnvoll, die Funnelstufen auf den Plattformen selbst zu verlagern. Denn sobald ein Mensch Facebook oder Instagram verlässt und auf der Webseite landet, verlieren Werbetreibende wertvolle Daten. Die logische Konsequenz daraus ist, so lange wie möglich auf den Plattformen zu bleiben und erst zur endgültigen Conversion, wie zum Beispiel dem Kauf eines Produkts, auf die Webseite zu verweisen. Dadurch entsteht kein Datenverlust, da auf der Plattform alle Datenpunkte weiterhin vollständig zur Verfügung gestellt werden.
Für den Aufbau von mehrstufigen Kampagnen auf Facebook und Instagram können von Meta zur Verfügung gestellte Werbemittel eingesetzt werden, um potenzielle Kunden durch den Funnel zu führen und gezielt anzusprechen. Durch die Verlagerung der Funnelstufen auf die Plattformen selbst, können Werbetreibende so ihre Kampagnen effektiver gestalten und die Interaktion mit ihrer Zielgruppe optimieren.
Beispiel für einen alternative Kampagnen-Strategie zur Leadgenerierung
Klassischerweise wurden Lead-Kampagnen wie folgt aufgebaut:
Dieser Aufbau führt unter den zu Beginn Einschränkungen zu einem Datenverlust zwischen 10 und 90% (Differenz zwischen gemessenen Link-Klicks und gemessenen Landingpage-Aufrufen bzw. zu gemessenen Lead-Events). Durch diesen Datenverlust wird nicht nur die Performance der Kampagne schwach, da zu wenige Signale eintreffen, die für Ausspielung der Anzeige durch den Meta-Algorithmus benötigt werden, sondern auch dazu, dass die Wiederansprache (Retargeting) verunmöglicht wird, da die Profile, welche das Lead-Formular erfolgreich ausgefüllt haben, nicht mehr vollständig in die Ausschluss-Zielgruppe aufgenommen werden können.
Um dem entgegenzuwirken, können folgende Massnahmen getroffen werden:
In diesem Setup bleibt die Kampagne komplett auf den Meta-Plattformen, wodurch sämtliche damit verbundenen Datenpunkte weiter gemessen werden können (0% Datenverlust). Die Optimierung auf ausgefüllte Lead-Formulare bzw. erfolgreich abgeschlossene Dialoge im Messenger ist so garantiert, während gleichzeitig sämtliche Interaktionen, die zwischen der Impression der Werbeanzeige und dem Conversion-Event komplett erfasst werden. Diese Interaktionen bieten sich wiederum für die Bildung von Custom Audiences an, welche in das Targeting der Kampagnen einfliessen können (Ein- und Ausschluss von Zielgruppen).
Um die angesprochenen weiter vorzuqualifizieren, können in einer Erweiterung dieses Setups auch mehrstufige Kampagnen aufgebaut werden:
Stufe 1:
Stufe 2:
Ebenso wäre es in diesem Setup möglich, Personen, welche das Video zu 50% gesehen haben, durch eine weitere Werbeanzeige direkt mit dem Messenger Bot zu verbinden.
Durch die Verlagerung von Funnelstufen auf die Plattformen Facebook und Instagram hat sich bereits ergeben, dass Meta verschiedene Kanäle und Möglichkeiten anbietet, mit welchen klassische Landingpages durch eine Alternative ersetzt werden können, um so dem Datenverlust entgegenzuwirken und performante Kampagnen aufzusetzen ohne dass ein Medienbruch notwendig wird.
Die folgenden Alternativen bieten sich als Ersatz für Landingpages an:
Zwar stellen die Einschränkungen im Bereich des Trackings und der Datenerfassung durch Cookies und Pixel Herausforderungen für Werbetreibende dar, was jedoch nicht bedeutet, dass man auf die darüber erarbeiteten und somit trotzdem vorhandenen Zielgruppen verzichten muss. Ebenso wenig sollte auf das Potenzial von mehrstufigen Kampagnen verzichtet werden. Es ist wichtig, generische Aussagen wie “Retargeting ist tot” immer im Kontext zu betrachten, zu hinterfragen und mit kreativen Lösungen auftretenden Problemen entgegenzuwirken.
Aber ja, das klassische Retargeting, wie Werbetreibende es bisher kannten und angewendet hatten, ist tot. Begraben. Und wird bald in Vergessenheit geraten. Es wird durch neue Funnels ersetzt, die auf die Plattformen Facebook und Instagram verlagert und komplett auf diesen umgesetzt werden können. Hierbei gilt es, die bestehenden Datenpunkte zu optimieren, alternative Datenpunkte zu schaffen, Funnel-Modelle auf die Plattformen zu verlagern und alternative Assets von Meta zu nutzen. Insgesamt sollten Werbetreibende offen für neue Lösungen und Ansätze sein und sich aktiv mit den Herausforderungen im Bereich der Werbeanzeigenschaltung auseinandersetzen, um weiterhin effektive und erfolgreiche Kampagnen umsetzen zu können.
Retargeting ist tot – lang leben die neuen Funnels
Der Blogbeitrag ist in Zusammenarbeit mit Claude Sprenger entstanden und wurde von Michaela Gahbauer und Thomas Hutter an der #ASMC vorgetragen.
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Schöner Beitrag, fasst noch mal schön die aktuelle Tracking Problematik zusammen. Grundsätzlich gehe ich bei der Aussage mit, dass mit der Bildung von Custom Audiences AUF der Meta Plattform dem Werbetreibenden mehr Daten zur Verfügung stehen. Das Problem aus meiner Sicht ist aber, dass man seine Datensätze extrem abhängig von der Plattform macht. Dadurch werden ebenfalls andere Remarketing Maßnahmen wie über Google Ads hinfällig (da das Google Pixel erst gar nicht gefeuert wird). In einer bevorstehenden Post-Cookie-Ära sollte man doch eher – langfristig gedacht – die Personen möglichst schnell auf die eigene Website bzw. Plattform zu bringen und dann an First-Party-Daten zu gelangen. Wie seht ihr diesen Konflikt?
Wir versuchen gerade einen Teil der Kontaktpunkte auf META zu schieben, was für gewisse Microorganisationen aus dem NPO-Feld Sinn macht – gerade im Top of Funnel. Leider scheint META das Format nicht im Griff zu haben. Aktuell kann ich nur mit statischem Bildmaterial Anzeigen mit dem Ziel Instant Experiences schalten. Sobald ich ein mp4 oder auch ein GIF hinterlege, produziert der Werbeanzeigenmanager einen Fehler (#1487470). Ich selber habe von META noch keine Äusserung dazu bekommen. Habt ihr Erfahrungen mit der Kombination Video-Ad und Ziel Instant Experience?